Mareike Donath:
Liebe Hörerinnen und liebe Hörer,
herzlich Willkommen zum Podcast vom digitalen MV.

Die Digitalisierung in Mecklenburg-Vorpommern weiter voranbringen. Das heißt insbesondere: Ausbau der digitalen Infrastruktur, sowie Stärkung der Digitalisierung in Wirtschaft, Bildung, Forschung und der Verwaltung.
 
Das waren die Leitsätze, beschlossen von der Landesregierung. Die Digitale  Agenda 2018. Gut 3 Jahre später ist vieles davon bereits realisiert. Das beweist eindrucksvoll die Digitale Agenda 2018 bis 2021 mit ihrer Leistungsschau. Sehr sichtbar unter großem, auch öffentlichen Interesse, auch auch fast unbemerkt.  Das Land ist digitaler Innovationsraum für unsere heutige Lebens und Arbeitswelt geworden. Der digitale Wandel ist längst in der Mitte der Gesellschaft angekommen. Eindrucksvolle bewiesen dies die vielen Beiträge auch auf der vergangenen Nørd. dem größten Digitalisierungskongress des Landes im Juni 2021, 14 Tage voller Impulse.

Mein Name ist Mareike Donath, ich bin Leiterin der Stabsstelle für Digitalisierung und Internationales im Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung Mecklenburg-Vorpommern, und möchte gemeinsam mit Ihnen und einigen Teilnehmern der Nørd zurückblicken auf das Erreichte und auf das, was vor uns liegt.   
 
Smarte Daten für ein Resilient es Vorpommern- Rügen, zu Gast haben wir den Landrat Doktor Stefan Kerth. Die erste Frage an Sie: Auf einer Skala von 1-5, wie hoch ist ihr digitaler Fitness Index? Wie würden Sie ihren Landkreis einschätzen, was sagen Sie für ihre Region?

Dr. Stefan Kerth (Landrat Vorpommern-Rügen):
Guten Morgen in die Runde, ich freue mich, dass ich dabei sein darf. Herzlichen Dank für die Einladung. Ich habe gerade so ein bisschen das schwitzen gekriegt, wie schätze ich mich persönlich ein, aber dann konnte ich mich noch retten. Ich soll also den Landkreis einschätzen. Also als echter Norddeutscher hat man natürlich norddeutsches understatement, also ich würde von Hause aus das erst mal niedrig einschätzen. Dass man ja nicht dem Gedanken verfällt, dass wir nun schon besonders weit sind. Wenn wir da mal einen richtigen Maßstab anlegen, nicht so einen Verwaltungs Maßstab. Ich denke wir stehen als Landkreis Vorpommern Rügen im Vergleich zu anderen Landkreisen in Deutschland gar nicht schlecht da. Aber wenn man die Messlatte anlegt, und das wäre die dich anlegen wollen würde, an andere Bereiche der Gesellschaft, an Wissenschaft und an die Wirtschaft, dann würde ich sagen, dass ich uns allerhöchstens bei einer 2,5 sehen würde. Was Netze betrifft sind wir sicherlich bei einer 4 und streben ganz deutlich die 5 an. Ich kann es selbst kaum glauben, und frage deswegen unseren Pressesprecher immer mal wieder: Stimmt das, ist Vorpommern-Rügen dann deutschlandweit tatsächlich die Region sein wird mit der höchsten Glasfaserdichte, die dann tatsächlich am Haushalt ankommt? Wir können ganz viel über Digitalisierung reden, die hat sicherlich auch ihre Schwächen wenn mal irgendetwas nicht funktioniert, der Strom nicht da ist. Aber für die Digitalisierung brauchen wir einfach Datennetze. Und in Vorpommern-Rügen, das ist nicht mein Verdienst, möchte ich ganz deutlich sagen, das haben meine Vorgänger in die Spur gebracht, ist das größte Projekt der Deutschen Telekom. Wir werden den dichtesten Glasfaserausbau im ländlichen Raum in ganz Deutschland haben. Wir sind mit Hochdruck dabei, und das ist nur eine Frage der Abarbeitung. Das ist keine Vision, in anderen Regionen Deutschlands arbeitet man da noch dran, bei uns ist es einfach schon Alltagsgeschäft. Das ist mir persönlich sehr wichtig, dass wir hier gut weiterkommen und damit ganz weit vorne sind.

Mareike Donath:
Es geht darum ein Gefühl zu entwickeln, sichtbar zu machen und auch im Kontext mit den anderen Ländern zu sehen, wo stehen wir eigentlich. Im Vergleich mit den anderen Bundesländern aber auch international. Zu sehen, was hat sich getan die letzten Jahre und in welcher Geschwindigkeit, das gehört auch mit dazu. Das sind ja immer individuelle Erfahrung und Einschätzung, kleine Geschichten. Das sind Erfahrung das haben wir auch in der letzten NØRD gesehen, es sind immer die Persönlichkeiten, die Menschen, die Dinge voranbringen. Und da haben wir Erfolgsfaktoren geschärft und wissen, dass der Mensch im Vordergrund steht, Interessierte Bürgerinnen und Bürger. Das Thema Digitalisierung muss natürlich eine Führungsaufgabe sein. Der Einsatz von agilen Methoden und natürlich die Vernetzung, das Miteinander gemeinsam voranschreiten, so dass man die Haupt- Bausteine miteinander verbindet.

Was würden Sie sagen, was ihre Region beflügelt? Was ist der Erfolgsfaktor für die Region Vorpommern Rügen?

Dr. Stefan Kerth (Landrat Vorpommern-Rügen):
Erst mal ist es natürlich wichtig, wenn wir über die Digitalisierung reden, dass wir sie dann auch machen können. Man spricht ja bei Glasfaser, von den Straßen auf den wir nachher fahren werden. Das ist ja nicht die eigentliche Digitalisierung das ist ja nur die Straße auf der die Daten transportiert werden können. Das ist aber ja ein ganz wesentlicher Aspekt. Da haben wir unser Hausaufgaben gemacht und sind dabei gerade richtig gut zu werden. Die Frage ist dann, was soll nachher drauf fahren. Und daher auch die Einschätzung mit der 2,5. Ich mache da auch kein Hehl daraus, bevor ich Landrat geworden bin war ich Bürgermeister der schönsten Kleinstadt im Landkreis. Nämlich von Barth. Und da habe ich immer so ein bisschen die Philosophie gehabt, was das Thema Digitalisierung und smart Data betrifft,  das sind so Sachen… Verwaltung hat vielschichtige Organisationsprozesse, weil es auch viele Mitbestimmung Prozesse gibt, kommunale Verwaltung etc. Und wir brauchen lange für Entscheidungen, das ist einfach so. Auch Parlamente brauchen länger für Entscheidungen als Inhaber geführte Unternehmen, auch in Landesregierungen. Das ist einfach so. Ist auch in einer Demokratie gut und richtig, aber es macht uns natürlich lahm. Ich habe als Kleinstadt Bürgermeister gesagt, ich muss nicht der Vorreiter sein für Dinge, für die wir viel zu klein sind. Ich habe natürlich die Digitalisierung Prozesse beobachten und habe dann festgestellt, wie erfolgreich doch die Länder gewesen sind, in denen der Staat auch als Regierung voran gegangen ist, und gesagt hat, ich mache das auch zu meinem Thema. Dann haben Kommunen gesagt, wir machen das auch zu unserem Thema. Ich denke an die baltischen Staaten, oder andere Länder in Europa die da teilweise Riesenschritte gemacht haben.  Das habe ich mir einige Jahre angeguckt, und bin dann für mich zu Ergebnis gekommen, ne, das funktioniert so gar nicht. Dass man sagt, man guckt sich das als Verwaltung nur an, und erst Recht nicht als Kreisverwaltung.  Ich bin inzwischen ganz klar der Auffassung, dass man als Verwaltung eine Vorreiter Kultur und auch eine Denkstruktur auch was Digitalisierung betrifft, wenn man sie nicht hat, entwickeln muss. Es geht ohne die Verwaltung, ohne den Staat, der sich selbst als Motor begreift, nach meiner tiefen Überzeugung nicht. Weil, dann kommt das Ganze auch nicht bei den Bürgern an. Und das ist so mein Grundverständnis, wie Digitalisierung hier bei uns in der Kreisverwaltung eingeordnet wird. Zu ganz konkreten Dingen die da angestrebt werden.  Das sind so drei Lebensbereiche. Erstmal, die klassische Digitalisierung der Verwaltung.  Wobei man sagen muss, es gibt kein großes Konzept mit Goldrand, aber wir sind uns im Hause schon darüber klar, was die Ziele sind. Wir wollen in einigen Jahren, ich kann keine genaue Jahreszahl nennen, eine völlig Medienbruchfreie Verwaltung sein. Deswegen auch die 2,5- sind wir nämlich, ganz klar, noch nicht. Wir sind in einigen Punkten weiter als andere Verwaltungen in MV, aber die anderen sind an anderen Stellen weiter als wir. Das ist wirklich ein wichtiges Ziel, dass wir für die Bürger ganz ganz viele digitale Angebote haben. Natürlich trotzdem immer noch als Mensch ansprechbar bleiben. Also wer Digitalisierung nicht will, nicht kann, nicht soll, der wird immer noch einen anderen Kanal finden. Viele Leute, da hat Corona nun wahrscheinlich den Turboboost zugeschalten, würden viel mehr digital machen. Das hat wahrscheinlich einen Zeitraffer bewirkt, von 5-7 Jahren, dass viel mehr Menschen digitale Angebote wahrnehmen. Da habe ich dann schon den Anspruch, dass es komplett digital geht in einigen Jahren. Die eine Säule ist also wirklich die Digitalisierung der Verwaltung, für den Bürger auch spürbar, so, dass es für ihn auch das Leben und Arbeiten im Landkreis erleichtert. Und dann auch wirklich rund, so dass der Prozess von vorne bis hinten Digital läuft. Und das war mir auch wichtig, das einbinden von Bezahlsystemen, es gibt eben doch Verwaltungsvorgänge bei denen Gebühren gezahlt werden. Das muss in Verwaltungen natürlich besonders gut funktionieren, mit entsprechenden Sicherheitsmaßnahmen, Datenschutz etc. das ist kein einfacher Prozess, aber das ist der Maßstab, den ich ganz klar habe. Die zweite Säule, die auch mit Verwaltung zu tun hat, aber den Land als Träger, ist die Digitalisierung der Schulen. Ein wahnsinnig wichtiges Thema. Und dann kommt die dritte Säule, und das ist so der Bereich Wirtschaftsförderung, Vorbildwirkung und Moderatorenfunktion des Landkreises. Das ist auch, sehe ich zumindest für meinen Landkreis so, ganz klar die Aufgabe, nicht nur zu sagen, wir machen die Verwaltung und die Schulen schick. Wir verstehen uns auch als Moderator um die Projekte voranzutreiben, und da ist einiges in der Pipeline. Also, mein Style ist, wenn die Landesregierung den Gedanken hat: In welchem Landkreis könnte ich denn ein Projekt platzieren, dass im Näheren und Weiteren mit Digitalisierung zu tun hat– Herr Minister Pegel hat mich beispielsweise vor einiger Zeit gefragt, Mensch, ich habe da was, Thema Autonomes Fahren, wäre das was für euch? Da sage ich grundsätzlich erstmal Ja. Nicht, weil ich nicht überlege, und es mir bequem mache, sondern weil es eine Frage der inneren Haltung zu bestimmten Themen und neuen Projekten ist. Ob man sagt, wir wollen das, wir können das. Man muss das vorleben und dann strahlt das auch rein. Wir sind bei einem Modell Antrag 5x5G auf Bundesebene in die nächste Stufe gekommen, da sind wir als Region dabei. Wir sind beim Thema Wasserstoff dabei,  das hat jetzt nichts mit der Digitalisierung zu tun, aber auch das wird sich hintenrum wieder begegnen. Wir sind mit dem Thema Autonomes Fahren dabei, wo es, soweit ich weiß ja auch sehr auf den Glasfaserausbau ankommen wird. Gehen sie davon aus, dass immer wenn etwas neues in Vorpommern-Rügen platziert ist, das ernst zu nehmen ist. Auch nach außen aussenden, dass wir eine Vorreiter Region sind, das ist mein Bild von dieser dritten Säule, das ist eine Region, die man nicht treiben muss, sondern die selber treibt – wir sind Vorreiter.

Mareike Donath:
Mit dabei heute der Oberbürgermeister der Hansestadt Greifswald, Dr. Stefan Fassbinder. Sie gelten als Vorantreiber für das Thema Digitalisierung der Kommunen. Wenn Sie selbst eine Einschätzung für Ihre Stadt, für ihre digitale Fitness auf einer Skala von 1-5 geben müssten, was würden Sie sagen?

Dr. Stefan Fassbinder (Oberbürgermeister Hansestadt Greifswald):
Bisschen gemeine Einstiegsfrage, wenn man sich selber einschätzen soll. Man darf nicht zu sehr loben,  aber man soll als Oberbürgermeister das Licht seiner Stadt auch nicht unter den Scheffel stellen. Ganz entscheidend ist die Frage, was ist denn der Vergleichsmaßstab? Wenn ich das im internationalen Vergleich anschaue, erreichen wir wahrscheinlich kaum die 1.  Wenn ich mir Deutschland als Vergleichsmaßstab nehme, denke ich, sind wir auf einem ganz guten Weg, irgendwo zwischen 2 bis 3 würde ich uns hier ansiedeln in Greifswald, mit der Tendenz zur 3.

Mareike Donath:
In Bezug auf den Digitalen Wandel, was ist ihr Lieblingsprojekt?

Dr. Stefan Fassbinder (Oberbürgermeister Hansestadt Greifswald):
Das eine Lieblingsprojekt gibt es gar nicht, wäre ja auch fatal, wenn man sich nur auf eine Sache konzentrierte.  Wir haben viele Projekte, die mir am Herzen liegen. Unser Klar-Schiff Portal, das ist schon lange am Start und wird immer weiter ausgebaut. Das ist eine sehr unkomplizierte Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger Mängel zu melden, Ideen einzubringen, auf Sachen aufmerksam zu machen. Wir erweitern dieses Portal ständig, haben es in unsere neue Greifswald App integriert, das ist ein wichtiges Projekt. Ein Zweites, welches wir in letzter Zeit eingeführt haben, bisschen Corona -beschleunigt, ist die online Terminvergabe. Klingt auf den ersten Schritt banal, hat aber für die Verwaltung, und vor allem für die Bürger:innen enorme Fortschritte mit sich gebracht. Ich brauche jetzt nur noch wenige Minuten, habe meinen Termin, weiß, was ich alles mitbringen muss. Da haben wir sehr positives Feedback, und ich glaube, dass ist so ein Baustein, der in letzter Zeit sehr gelungen war.    

Mareike Donath:
Wir haben das Thema Gründerszene. Auch die Stadt Greifswald hat ein ganz erfolgreiches Start-Up hervorgebracht. Advocado. Welche Rolle spielt Ihrer Meinung nach das ganze Thema für die Entwicklung einer Stadt und auch für den digitalen Wandel hier.

Dr. Stefan Fassbinder (Oberbürgermeister Hansestadt Greifswald):
Also, das ist das entscheidende Fundament hierfür. Die großen Firmen sind am Start und unterwegs, aber wichtig ist auch was neu kommt, sich weiter entwickelt. Aus Nischen heraus, aus der Forschung heraus, aus der Anwendungsorientierten Forschung. In Greifswald versuchen wir das sehr stark zu unterstützen,schon seit vielen Jahren. Haben schon vor längerer Zeit ein Technologiezentrum errichtet, das wird jetzt demnächst ausgebaut, modernisiert und attraktiver gemacht. Wir haben ein Bio-Technikum, dass sich vor allem mit Lebenswissenschaften beschäftigt. Wir bauen im Moment – das ist unsere größte Baustelle – das Zentrum für Live Science und Plasma Technologie, was sich wiederum verschiedenen Zukunftsbranchen widmet, hoffentlich nächsten Sommer eröffnet wird und dann ganz schnell voll läuft. Und, wir sitzen ja hier in der alten Mensa, das ist unser Baby, unser neuestes Projekt, ein digitales Innovationszentrum mit den Schwerpunkten Digitalisierung und Kreativität, die wir hier direkt im Herzen der Stadt entwickeln wollen.

Mareike Donath:
Die nächste Gästin, Staatssekretärin Ina-Maria Ulbrich, vom Digitalisierungsministerium. Ihr Special Thema Digitalisierung der Verwaltung.

Ina-Maria Ulbrich  (Staatssekretärin Ministerium für Energie, Infrastruktur und Digitalisierung):
Ja, Digitalisierung. Da denkt man bei dem Thema ja, es geht um Verwaltungsprozesse,  um elektronische Akte etc. etc. Aber Nein, es zog sich durch bei allen Vorträgen: Der Mensch. Der Mensch war im Mittelpunkt, und das ist ja wirklich auch das wichtigste. Es fing an beim CIO des Bundes, der gesagt hat, auch aus Sicht des Bundes ist es natürlich wichtig: Wir machen Digitalisierung für die Menschen. Auch der Oberbürgermeister aus Rostock hat ja Digitalisierung vorgestellt, wie der Rostocker Weg ist, Smile City und auch die Idee die dahinter steckt präsentiert. Auch hier wieder: Der Mensch steht im Mittelpunkt. Und so zog sich das durch. Wir haben wirklich so viele coole Leute bei uns in Mecklenburg-Vorpommern. Gute Sachen, die aus Mecklenburg-Vorpommern heraus entstanden sind. Bei der Digitalisierung, aber auch in vielen anderen Bereichen. Da wird immer von den hidden champions berichtet. Wir haben ganz ganz viele davon in Mecklenburg-Vorpommern. Wenn wir es sichtbar machen, dann kommt auch eine andere Bewegung eine Form von Stolz für die Menschen aus Mecklenburg-Vorpommern. Ja, wir rocken da wirklich was. Und es ist ja immer spannend, wenn man mal den Blick von außen sieht. Der CIO des Bundes, Markus Richter, der hat das auch noch mal deutlich gemacht. Mecklenburg-Vorpommern ist einer der Treiber, ist einer der Motoren für die Digitalisierung der Verwaltung. Weil wir einfach mit pragmatischen Ansätzen, und manchmal auch und unkonventionellen Ansätzen, tatsächlich voran gehen und Dinge bewegen. Und das machen wir nicht nur in der Verwaltung, Digitalisierung der Verwaltung, das machen wir auch in ganz vielen anderen Bereichen.

Mareike Donath:
Jetzt sind zwei Gäste digital zugeschaltet. Zum einen ist es Professor Henning Vöppel, Leiter des Hamburgischen Weltwirtschafts Institutes. Und Holger Volland, Leiter der Brand eins Medien AG. Ich freue mich, dass Sie da sind, einen herzlichen guten Morgen.

Herr Professor Vöppel, wir waren 2019 bei der Night of Inspiration dabei im Theater Greifswald, Sie sind auch im Zukunftsrat ses Landes, einberufen von der Ministerpräsidentin. Sie sind also ein bisschen an unser Land gebunden. Was hat sich verändert seit 2019, wie schätzen Sie das ein?

Prof. Henning Vöppel (Leiter des Hamburgischen Weltwirtschafts Institutes):
Zunächst einmal hätte wohl 2019 niemand daran gedacht in welche Phase wir gehen. Was uns gefühlt vorkommt wie gestern, und gleichzeitig auch ganz weit weg,  und wir haben vielleicht ja einen digitalen Sprung gemacht seit dem. Ich habe jetzt ja vielfältige Erfahrung mit Ihnen, mit Ihrem Bundesland gemachten  und ich muss sagen, dass mich die Aufbruchstimmung, das Engagement unglaublich fasziniert. Ich nehme  wahr, dass man die Chance in der Digitalisierung wahrnimmt. Gerade für ein Flächenland wie MV ist das natürlich eine riesige Chance. Menschen ganz anders als in der Vergangenheit miteinander zu vernetzen. Kreative und produktive Potenziale miteinander zu leben. Das gefällt mir sehr sehr gut, diese positive Einstellung gegenüber der Chancen der Digitalisierung. Ich hoffe, dass wir den Rückenwind aus der Pandemie mitnehmen, die ja gezeigt hat dass es geht, und es auch nicht weh tut sich in der digitalen Welt zu bewegen. Gleichzeitig, muss man auch sagen, haben wir gesehen was aber auch noch nicht gut läuft. Im Bereich der Verwaltung, der Schulen usw. wo wir doch noch weit zurück liegen. Wir hätten uns gewünscht, dass wir in vielen Bereichen der Gesellschaft doch deutlich weiter sind. Es ist auch gar kein Urteil das nur MV betrifft sondern Deutschland und vielleicht auch europaweit insgesamt. Es hat uns, glaube ich, gezeigt, ja es gibt große Chancen in der Digitalisierung, wir liegen ein bisschen zurück, und wir müssen sie jetzt angehen und umsetzen.

Mareike Donath:
D. h. auch immer ein bisschen in die Zukunft zu gucken, sich zu fragen wohin soll denn mein Boot steuern, was gibt es zu bedenken. Wo werden wir vielleicht in fünf oder zehn Jahren stehen. Welche Erfahrungen haben Sie im Zukunftsrat gesammelt, wie einfach fällt es den Menschen sich doch darauf einzulassen?

Prof. Henning Vöppel (Leiter des Hamburgischen Weltwirtschafts Institutes):
Ich glaube es ist wichtig, den Veränderungen die wir gerade erleben, eine Richtung zu geben einen einen Sinn zu verleihen. Nur totale Technologie voranzutreiben fällt uns schwer. 100.000 Chief Digital Officers waren nicht in der Lage, das zu tun, was jetzt die Pandemie gemacht hat. Nämlich zeigen, dass Digitalisierung einen Zweck hat, dass es uns hilft um sozusagen in unserem Leben zu agieren. Das ist die große Erkenntnis, dass wir jetzt die Chance haben dem Ganzen einen Sinn, eine Richtung zu geben und damit natürlich auch  Geschwindigkeit aufzunehmen. Weil sie den Zukunftsrat erwähnt haben, wir haben im Rat drei große Missionen der Gesellschaft im Grunde identifiziert. Das eine ist die Nachhaltigkeitsökonomie. Das Nächste, die Gemeinwohl Orientierung  und das Dritte ist eine echte digitale Gesellschaft. Wir sind meilenweit entfernt von einer echten digitalen Gesellschaft. So viele Fragen sind ungelöst. Wie gehen wir mit der Informationellen Selbstbestimmung von Menschen um. Wie können wir Datensicherheit, Datenschutz gewährleisten. Haben wir eigentlich die digitalen Kompetenzen, nicht nur bei den Schülerinnen und Schülern sondern auch bei den Lehrkräften. Es muss der Fall sein, damit wir wirklich Digitalisierung in der Gesellschaft nutzen können. Ich sage immer Digitalisierung hat nicht viel mit Daten und IT zu tun, immer haben die Menschen Bedürfnis das echte wahre Leben über die Technologie noch stärker ins Zentrum zu rücken. Diese Chance, diese Perspektive brauchen wir, glaube ich. Wir können miteinander unser echtes anfassbares Leben verbessern wenn wir die Chancen der Digitalisierung nutzen. Die Kultur mit der wir etwas machen ist unersetzbar. Wir können regulieren, wir können uns etwas vornehmen, aber die Kultur ist der große Treiber, wenn wir wirklich mit Offenheit, mit Zuversicht und mit Neugier auch daran gehen, dann ist das der große Treiber und durch nichts zu ersetzen. Die Politik kann Strategien aufschreiben und voranstellen und so weiter, aber die Kultur, die Offenheit. Über Jahrhunderte sehen wir das übrigens, es gibt ein tolles Buch von Jo Henrich, the weirdest People, also die verrücktesten Leute. Verrücktheit hilft uns, diese Kultur der Offenheit hilft uns Dinge zu gestalten. Deshalb glaube ich,  es ist darauf Wert zu legen auf die Kultur mit der wir Veränderungen angehen. Das ist ganz ganz wichtig.

Mareike Donath:
Was sind neben der Offenheit die Erfolgsfaktoren, die eine Gesellschaft dabei unterstützt sich positiv zu verändern, positiv mit sich verändernden Prozessen umzugehen ?

Prof. Henning Vöppel (Leiter des Hamburgischen Weltwirtschafts Institutes):
Ich glaube, wir leben in einer Zeit, die unglaublich komplex ist. Haben zwar alle Generationen vor uns auch gesagt, aber, wir sehen, dass ganz viele gleichzeitige Veränderungen vorliegen. Und wir wissen heute relativ wenig über selbst die nahe Zukunft. D.h. wir müssen einen Umgang finden mit unvollständigem Wissen, mit Komplexität und mit Unsicherheit. Deswegen ist das Buzzword der Agilität dennoch richtig. Wir haben ja auch in der Pandemie gesehen, dass wir in der Verwaltung, in der Art wie wir diese Krise gemanaged haben zu wenig Freiheitsgrade haben. Wir haben es uns nicht erlaubt flexibler und damit besser mit dieser Krise umzugehen. Also wirklich sagen, wir können Unsicherheit nicht managen durch wiederholte Prozesse sondern nur in agilen Strukturen. Das erfordert gleichzeitig, dass man den Menschen mehr zutraut, und, dass man ihnen auch mehr Entscheidungskompetenzen vermittelt, wenn sie situativ eigenständig entscheiden müssen. Das ist die große Lehre, glaube ich, aus der Pandemie, und eine die wir in Zukunft brauchen werden. Mehr Zutrauen in die Gestaltungsfähigkeit. Mehr Zutrauen in die Gestaltungsfähigkeit der Menschen, nicht nur Prozesse zu wiederholen, sondern agil und beweglich werden. Wir können spontane Dinge dann auch besser managen.

Mareike Donath:
Dann würde ich jetzt gerne zu meinem nächsten Gast kommen. Herr Volland, Sie sind Geschäftsleiter bei Brand eins, Sie sind auch Autor des Buches die Zukunft ist smart, Du auch? Was heißt das eigentlich Smart zu sein?

Holger Volland (Geschäftsleiter Brand eins):
Ja, guten Morgen Frau Donath. Schön, dass ich heute hier sein darf. Eigentlich machen Sie genau das gerade was ein smarter Mensch macht, Sie stellen Fragen. Das ist die wichtigste Erkenntnis die ich gewonnen habe in den letzten Jahren, und das Buch das sie gerade erwähnt haben ist ein Buch voller Fragen. Ich hatte davor ein Buch geschrieben über künstliche Intelligenz im kreativen Umfeld und habe dazu viele Vorträge gehalten. Die Vorträge waren immer ganz spannend, ich saß auf der Bühne mit tollen Leuten und wir haben uns gegenseitig Fragen gestellt und uns darüber enthalten, was bestimmte Entwicklungen angeht. Wie man darauf reagieren müsste politisch, wirtschaftlich und kulturell. Es war alles auf einem fantastischen Niveau und dann kamen die Fragen aus dem Publikum. Und die Publikumsfragen werden oft eingeleitet mit, ich habe eine wirklich dumme Frage. Dann kommt so etwas wie: Ich bin Anwalt, wird die KI meinen Job übernehmen. Diese Fragen habe ich gesammelt, weil ich es toll finde, dass Leute in einem Umfeld von, ich sage mal Nerds, sich trauen Fragen zu stellen, die sich eigentlich keiner mehr zu stellen traut. Ganz Basische Fragen. Was kann man im Internet löschen, was kann man nicht löschen. Wird KI meinen Job übernehmen, wird sie ihn nicht übernehmen. Was bedeutet die Digitalisierung eigentlich so für Dinge wie mein digitales Erbe. Und das sind Fragen, die noch viel zu selten gestellt werden. Und sie fragen, was macht einen smarten Menschen aus. Für mich, ein Mensch der niemals aufhört diese Fragen zu stellen. Diese Fragen gehen vor allem uns an, die wir hier zusammensitzen, und ich gehe davon aus, dass die meisten Leute die jetzt zuhören auch zu den Experten gehören, und wir vergessen viel zu oft, was 99 % der Leute eben noch nicht wissen, sich nicht erklären können und eben noch nicht auf dem Stand sind auf dem unsere Debatten sind. Das nicht vergessen, und darauf achten, dass wir wirklich alle Leute mitnehmen bei der Digitalisierung, das ist die wichtigste Aufgabe vor der wir gerade stehen und das geht uns tatsächlich alle an.

Mareike Donath:
Nun blicke ich auch noch einmal zurück in Richtung Professor Vöppel, Kulturänderung, Mindsetveränderung, aber wie kann das denn gut gelingen?

Prof. Henning Vöppel (Leiter des Hamburgischen Weltwirtschafts Institutes):
Diese Mindset Änderung passiert natürlich auf allen Ebenen. Auf der Basis von Nutzern, dass ich mich zum Beispiel frage, warum muss mein Smart TV darauf achten, welche Programme ich mir ansehe, nur damit er mir weitere Angebote machen kann, welche Sendung ich mir als nächstes ansehen muss. Es passiert in den Schulen natürlich, in den Kindergärten und im gesamten Bildungsbereich. Wir müssen uns fragen, welche Skills brauchen wir denn noch in einer Zukunft in der die Skills, die wir heute noch alle lehren besser vielleicht von Algorithmen übernommen werden. Was ist der menschliche USP in der zukünftigen Arbeitswelt? Was müssen wir investieren zum Beispiel, damit wir in Zukunft nicht mit einem Algorithmus konkurrieren darüber, wer besser in Mathematik ist. Sondern, damit wir herausarbeiten können was ist denn die menschliche Komponente die wir brauchen. Zum Beispiel ist Kreativität enorm wichtig, nicht nur in der Zukunft sondern auch schon in der heutigen Welt. Und es passiert natürlich auch auf Ebene der Politik und der Unternehmen. Die wichtigste Funktion die wir im Wirtschaftsbereich haben in den Unternehmen ist sicherlich auch, dass wir es lernen zu vermitteln. Zwischen den Interessen die die Shareholder haben, und den Interessen die die Veränderung hat. Ich habe den Begriff der digitalen Aliens wertschätzen gelernt. Das sind Leute wie sie Frau Donath, oder auch ich, die in einem Unternehmen dafür zuständig sind digitale Veränderungen voranzutreiben. Und wir digitalen Aliens müssen ganz oft in unserem Bemühen Veränderungen schnell voran zu bringen – und natürlich auch dafür zu kämpfen, dafür dass es Budgets, Mitarbeit, und Anerkennung gibt  – darauf achten, dass wir die Politik, die Unternehmen oder auch die Bürger eines Landes genug mitnehmen. Im Management eines Unternehmens geht es darum zu vermitteln. Es geht einerseits darum, dass die Aliens genug Ausstattung bekommen, genügend Geld, Zeit und Anerkennung um Entwicklungen voranzutreiben. Und auf der anderen Seite geht es natürlich auch darum, dass die Shareholder mitgenommen werden. Dass man ihnen mitteilt und vermittelt, warum es jetzt wichtig ist in Veränderungen zu investieren, obwohl doch eigentlich 95 % des Kerngeschäfts noch ganz gut laufen. Und man fragt sich warum soll ich denn jetzt von da die Aufmerksamkeit abziehen, es läuft doch ganz gut, und in einen unsicheren Bereich wie die Digitalisierung rein rennen. Es gibt gute Argumente natürlich, warum man das tun sollte, aber auch das ist ein Prozess des permanenten redens miteinander. Der permanenten Vermittlung und auch des permanenten Frage stellens.

Mareike Donath:
Liebe Zuhörerinnen und liebe Zuhörer, Mecklenburg-Vorpommern mit seinen Menschen ist eine Innovations- und Schatzkammer Deutschlands. Unzählige Macherinnen und Macher gestalten Ihre digitale Zukunft im Innovationsraum des Landes. Dabei sind  wir als Bundesland und die Menschen die gestalten, mehr und mehr in der Vorreiterrolle angekommen.

Und, nehmen weiter Fahrt auf. Machen Sie sich selbst ein Bild, klicken sie sich rein bei uns im Netz- www.digitalesmv.de - finden sie nochmal alle Vorträge und Podiumsdiskussionen der vergangenen NØRD- und ebenso auch alle weiteren Podcast Folgen aus unserer Reihe zum Digitalen MV

Bis dahin!
–  Ihre Mareike Donath