#1 KI und wir: Warum wir lernen müssen, mit künstlicher Intelligenz umzugehen

Marius Palass, Digitales Innovationszentrum Schwerin
Mai 2023

Müssen wir lernen, mit Künstlicher Intelligenz (KI) umzugehen? OpenAI, die Firma hinter ChatGPT und DALLE-2 sagt „Ja“. Genau deswegen wurden die unvollständigen KI-Modelle bereits an die Öffentlichkeit gegeben. Damit wir, die Menschen, „üben“ und lernen können – und uns vorbereiten. Welche Auswirkungen fortgeschrittene KI letztlich auf unsere Psyche hat, werden wir in diesem Fachbeitrag untersuchen.

In der jüngsten Vergangenheit hat Künstliche Intelligenz bedeutende Fortschritte gemacht und bietet der Menschheit eine Vielzahl von Vorteilen. In unserem Format SnackIT haben wir bereits mit dutzenden Teilnehmerinnen und Teilnehmern verschiedene künstliche Intelligenzen probiert und unser Fazit war oft sehr ähnlich: Irgendwie magisch, faszinierend, aber auch erschreckend. Er-schreckend, wenn man daran denkt, wie sehr entwickelt diese Technologie bereits ist.

KI kann dabei helfen, komplexe Probleme schneller und effektiver zu lösen, die Produktivität und Effizienz zu steigern und das Leben in vielen Bereichen einfacher zu gestalten. Ein Beispiel hierfür ist ChatGPT, ein auf der GPT-4.0-Architektur basierender Sprachmodelldienst, der die Fähigkeit besitzt, komplexe Gespräche mit einer Vielzahl von Themen und Kontexten zu führen. Trotz der Vorteile, die KI bietet, gibt es auch Bedenken und Ängste in Bezug auf ihre Anwendung und ihre (zukünftigen) Fähigkeiten. Eine Befürchtung ist, dass KI in Zukunft intelligenter als der Mensch wird, sich verselbstständigt und uns kontrolliert oder ersetzt. Andere befürchten, dass der Einsatz von KI unvorhersehbare soziale und psychologische Auswirkungen haben könnte, was wir im Folgenden näher betrachten wollen.

1. Vergangene Erfahrungen mit datenintensiver Technologie

Wir nutzen Gadgets wie Google Maps, die uns helfen, unseren Weg zu finden, ohne uns in unbekannten Gebieten zu verirren. Wir vertrauen darauf, dass uns ein Algorithmus nicht nur die kürzeste, sondern auch die am wenigsten befahrene, also schnellste, Route vorschlägt und uns in Echtzeit über Staus informiert. Dennoch haben wir Bedenken, sobald unsere persönlichen Daten im Zusammenhang mit der Technologie verwendet werden.  Wir nutzen täglich mehrfach kostenlose Dienste, selbst dann, wenn wir wissen, dass diese Daten dazu genutzt werden, uns personalisierte Angebote und Produktvorschläge zu machen. Diese Daten sind oft weitaus persönlicher und sensibler als der Standort. Dennoch können und wollen wir auf die meisten Apps und Gadgets nicht verzichten, geschweige denn eine monatliche Gebühr dafür bezahlen.

Ein weiteres Beispiel für die ambivalente Beziehung der Gesellschaft zur Technologie ist der Auf-stieg von Social Media. Ursprünglich als Werkzeug zur Förderung der Kommunikation und der Möglichkeit für Stimmenlose, sich Gehör zu verschaffen, gedacht, hat die Menschheit gesehen, wie die Auswirkungen von Social Media auf unsere Psyche und die Gesellschaft als Ganzes negativ sein können. Wir haben erfahren müssen, dass Social Media die Meinungen der Menschen beeinflussen und gezielt manipulieren kann. Die Folgen solcher Entwicklungen sind oft schwer abzuschätzen und können in der Regel nicht rückgängig gemacht werden, sobald sie sich manifestieren.

Es besteht ein Bedarf an kritischem Denken, um die Auswirkungen neuer Technologien zu erforschen und zu verstehen, bevor sie in unsere Gesellschaft integriert werden. Wir müssen uns bewusst sein, dass Technologie eine erhebliche Auswirkung auf unser Leben hat und dass wir ihre Konsequenzen erst in vollem Umfang verstehen werden, wenn wir uns bewusst mit ihnen auseinandersetzen.

2. Wem wir wann vertrauen

Eine interessante Studie zum Thema Verhalten und Akzeptanz von Algorithmen und KI stammt von Raveendhran und Fast (2021) und trägt den Titel "Humans judge, algorithms nudge: The psychology of behavior tracking acceptance".1 Die Autoren zeigen, dass Menschen es vorziehen, von Algorithmen statt von anderen Menschen getrackt zu werden. Insbesondere gilt dies bei der Internetnutzung, da Nutzer befürchten, von anderen Menschen aufgrund ihrer Suchanfragen be- oder verurteilt zu werden.

Allerdings kommt eine weitere Studie von Newman, Fast und Harmon (2020) zu dem Ergebnis, dass Menschen in bestimmten Situationen eher anderen Menschen vertrauen als einer künstlichen Intelligenz, selbst wenn von einem logischen Standpunkt eine künstliche Intelligenz ein neutraleres Ergebnis fällen würde. In seiner Arbeit "When eliminating bias isn’t fair: Algorithmic reductionism and procedural justice in human resource decisions"2 untersucht Stahl die Entscheidungsfindung in Personalabteilungen und zeigt, dass Bewerberinnen und Bewerber eher Vertrauen in menschliche Entscheidungen haben, obwohl Computer bei der Beurteilung von Kandidatinnen und Kandidaten weniger anfällig für Voreingenommenheit sind als Menschen. Dieses Paradoxon ist interessant, da es zeigt, dass menschliche Faktoren wie Vorurteile und Empathie immer noch eine wichtige Rolle bei Entscheidungsprozessen spielen, selbst wenn objektivere Alternativen vorhanden sind.

3. Der Einfluss von KI-Nutzung auf unsere Psyche

Es ist bekannt, dass Social Media und andere digitale Plattformen unseren Blick auf uns selbst und andere verzerren können. Zum Beispiel können Filter und Bearbeitungstools auf Fotos dazu führen, dass wir uns selbst oder andere schöner, schlanker oder attraktiver darstellen, als wir in Wirklichkeit sind. Dies kann zu einem Vergleich mit unrealistischen Vorbildern führen und unser Selbstwertgefühl beeinträchtigen.

Auf einigen Social-Media-Plattformen liegt der Fokus oft auf Äußerlichkeiten und Oberflächlichkeit. Doch was passiert, wenn es um die Leistung am Arbeitsplatz geht? Hier kann der Einsatz von KI-basierten Bewertungssystemen dazu führen, dass der Fokus ausschließlich auf Zahlen und Fakten liegt und wichtige Faktoren wie zwischenmenschliche Beziehungen und Soft Skills außer Acht gelassen werden. Dies kann zu einer Verschiebung der Werte und Prioritäten führen und die Frage aufwerfen, ob wir uns in einer Arbeitswelt wiederfinden möchten, in der alles auf harten Fakten basiert und menschliche Qualitäten keine Rolle mehr spielen.

Die Selbstwirksamkeitserwartung, also das Vertrauen in die eigenen Fähigkeiten, kann ebenfalls von der Nutzung von KI beeinflusst werden. Wenn KI-basierte Systeme Entscheidungen treffen, anstatt wir selbst, kann dies dazu führen, dass wir uns weniger fähig fühlen und unser Selbstwertgefühl beeinträchtigt wird. Depressionen oder andere psychischen Erkrankungen könnten die Folge sein, die auf fehlenden Zielen und einem Gefühl der Unzulänglichkeit basieren.

4. Emotionale Intelligenz für Menschen, technologische Intelligenz für Maschinen

Emotionale Intelligenz ist die Fähigkeit, Gefühle wahrzunehmen und zu bewerten, um mit Gefühl aufgeladene Informationen richtig zu verarbeiten und in die eigene Beurteilung beziehungsweise in eine mögliche Handlung oder Antwort einzubeziehen.

Technologische Intelligenz ist noch nicht wissenschaftlich beschrieben, könnte aber durch die Fähigkeit gekennzeichnet sein, Technologie verantwortungsvoll und effektiv zu nutzen. Während emotionale Intelligenz uns dabei hilft, mit anderen Menschen angemessen umzugehen, wird technologische Intelligenz in der Zukunft immer wichtiger, um uns bei der Nutzung von Technologien zu unterstützen. Es geht darum, dass wir uns bewusst sind, wie wir Technologie nutzen und welche Auswirkungen dies auf unsere Umwelt und Gesellschaft haben kann.

Dabei sollten wir uns bemühen, Technologie auf eine Weise einzusetzen, die für uns selbst und für die Gesellschaft von Vorteil ist. Ein Beispiel: Künstliche Intelligenz kann zur Diskriminierung beitragen, wenn sie aufgrund von unbeabsichtigten Voreingenommenheit geschult wird. Ein verantwortungsvoller Umgang könnte hier zur Entwicklung von Algorithmen führen, die frei von Vorurteilen sind. Ein solcher Ansatz würde dazu beitragen, dass künstliche Intelligenz bei der Lösung gesellschaftlicher Herausforderungen unterstützt, ohne dabei zu einer Verschärfung von sozialen Ungleichheiten beizutragen. Dazu gehört auch, Handlungen und Ausgaben von KI stets kritisch zu betrachten und zu hinterfragen.

Insgesamt ist es wichtig, den Einfluss von KI auf unsere Psyche und unser Verhalten zu untersuchen und die Auswirkungen auf lange Sicht zu berücksichtigen. Wir müssen uns bewusst sein, wie wir KI nutzen und welche Rolle sie in unserem Leben spielt, um sicherzustellen, dass wir uns weiterhin als selbstbestimmte Individuen fühlen und nicht von der Technologie dominiert werden.

Künstliche Intelligenz wird nicht mehr verschwinden, sondern im Gegenteil, exponentiell schneller und intelligenter. Was kann jeder einzelne nun tun? Eine Methode ist, sich aktiv mit KI auseinanderzusetzen und sogar ihre Vorteile für sich zu nutzen. Das heißt, beispielsweise mit ChatGPT zu interagieren und ein Gefühl für den Umgang zu entwickeln. Im Digitalen Innovationszentrum Schwerin arbeiten wir gemeinsam mit Ihnen an Methoden und Wegen, wie wir Künstliche Intelligenz in unsere tägliche Arbeit integrieren. Unsere Programme sind offen und Sie können sich wöchentlich zu SnackIT und anderen Events anmelden.

 

Literatur

1 Raveendhran, R., & Fast, N. J. (2021). Humans judge, algorithms nudge: The Psychology of Behavior Tracking Acceptance. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 164, 11–26. doi.org/10.1016/j.obhdp.2021.01.001

2 Newman, D. T., Fast, N. J., & Harmon, D. J. (2020). When eliminating bias isn’t fair: Algorithmic reductionism and Procedural Justice in human resource decisions. Organizational Behavior and Human Decision Processes, 160, 149–167. doi.org/10.1016/j.obhdp.2020.03.008

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