Mareike Donath
Liebe Hörerinnen und liebe Hörer, vielen Dank, dass Sie sich auch heute wieder die Zeit für den Podcast vom digitalen MV nehmen. Im Vorfeld der NØRD 2024, der größten landesweiten Convention rund das Thema Digitalisierung, welche vom 29. Bis zum 30. Mai in der Hansemesse Rostock stattfinden wird, greifen wir heute eines der Themen der NØRD auf: Die Digitalisierung der Verwaltung. Eine Mammutaufgabe für alle beteiligten Akteure. Die Einführung von elektronischer Aktenführung, transparenten Prozessen und elektronischer Vorgangsbearbeitung markiert nur den Anfang eines umfassenden Wandels in der Verwaltung. Wir beleuchten heute die Ist-Situation und sprechen mit Expert:innen über Herausforderungen, Hemmnisse und was es braucht, die Digitalisierung der Verwaltung weiter voranzutreiben. Mein Name ist Mareike Donath und ich bin die Leiterin der Stabsstelle für den digitalen Wandel im Innenministerium dieses Landes. Mit mir im Gespräch sind Nicole Röttger von Apiarista und Daniel Kersten, Digitalisierungsmanager oder CDO der Stadt Neubrandenburg. Lieber Daniel, fangen wir mit dir einmal an. Stell dich gerne einmal selbst vor und verrate, was machst du eigentlich als CDO?

Daniel Kersten
Ja, mein Name ist Daniel Kersten. Ich bin, wie du gesagt hast, CDO der Viertore Stadt Neubrandenburg. Cdo heißt auf Neudeutsch Digitalisierungsmanager. Ehrlich gesagt auch nicht so eine richtig deutsche Übersetzung. Mein Aufgabenbereich dreht sich darum, die Stadt als Ganzes voranzubringen im Thema Digitalisierung, also zu schauen, wo will sich die Stadtgesellschaft hin entwickeln und die Stadtverwaltung und das alles in Einklang zu bringen mit digitalen Mitteln, die Stadt als Ganzes voranzubringen.

Mareike Donath
Wie muss man sich deine Arbeit eigentlich ganz konkret vorstellen? Wie sieht dein Arbeitsalltag eigentlich so aus?

Daniel Kersten
Ja, in erster Linie führe ich viele Gespräche. Ich Ich spreche mit Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern, ich spreche mit den Unternehmen vor Ort, ich knüpfe Kontakte und schaue ja, aus diesen ganzen Informationen, die ich dort bekomme, versuche ich, für Neubrandenburg das Beste daraus zu ziehen. Aber auf der anderen Seite auch zu helfen, zu unterstützen und die ganze Gesellschaft auf dem Weg, die Digitalisierung zu begleiten.

Mareike Donath
Das ist ja keine einfache Fragestellung, vor allen Dingen so eine ganze Stadt zu begleiten. Woher weißt du, was jetzt zu tun ist?

Daniel Kersten
Der Weg, der öffnet sich ja erst beim Gehen. Das ist im Thema Digitalisierung umso mehr der Fall. Es gibt ja keine Blaupausen. Es gibt ganz viele andere Städte, die ihren Weg gegangen sind. Von denen kann man natürlich lernen, aber jede Kommune ist eigentlich angehalten, ihren eigenen Weg zu finden. Und das machen wir jeden Tag. Ich schaue über den Tellerrand, ich schaue, was passiert woanders und wie kann man das für uns adaptieren, dass es auch für uns passt.

Mareike Donath
Was sind deine aktuellen Projekte, an denen du gerade so arbeitest?

Daniel Kersten
Ja, ganz aktuell haben wir bei uns in Neubrandenburg die Smart-City-Initiative gestartet. Wir hatten einen Workshop mit den Führungsebenen der kommunalen Unternehmen und der Stadtverwaltung und wir starten jetzt das Thema Smart-City noch mal. Kombiniert mit den ganzen Kompetenzen und den ganzen Expertisen, geben wir das noch mal an. Es gab in der Vergangenheit da ganz viele Meilensteine, die bereits erreicht wurden durch diese Organisation. Jeder für sich hat seine Digitalisierung vorangetrieben und jetzt geben wir dem Ganzen diesen strategischen Blick und den Blick auf das Ganze, versuchen dort auch Synergien zu heben. Das ist eins der Themen, mit denen ich mich gerade ganz intensiv beschäftige. Ein anderes Thema ist eher technisch orientiert. Da geht es um den Aufbau eines digitalen Zwillings, also das digitale Abbild der Stadt in 3D. Und das soll in Zukunft ein wesentlicher Baustein der Smart-City Neubrandenburg sein, dass wir Informationen anzeigen können, visualisieren können auf diesem digitalen Zwilling, aber dass wir auch simulieren können, beispielsweise: Wie sieht eine Straße aus? Wie sieht ein Gebäude aus, das neu gebaut werden soll? Wie passt sich das ein? Wo können Leitungen verlegt werden, ohne dass es da zu Zusammenstößen kommt? Oder dass wir die Kabel kaputt reißen.
Das sind so die Themen eher auf der technischen Seite.

Mareike Donath
Kann man schon was sehen? Kann man schon was anfassen?

Daniel Kersten
In meinem Büro, ja. Ansonsten sind wir gerade an diesem ersten Schritt: Wir haben das Rohmaterial und haben so Überflugdaten der Stadt, also Schräg-Luftaufnahmen, kombinieren das zu einem 3D-Modell. Und das Ziel ist tatsächlich, dass wir das 3D begehbar machen, dass wir beispielsweise mit einer 3D-Brille dann durch die Stadt wandern können und das Ganze angereichert mit Informationen, die wir aus anderen Quellen bekommen, aus Sensoren, Temperatursensoren, direkt visuell auf einem Gebäude beispielsweise. Das ist dann keine Zukunftsmusik mehr.

Mareike Donath
Daniel, das klingt nach ganz viel Know-how, was da erforderlich ist. Mit wem arbeitet ihr da zusammen?

Daniel Kersten
Das sind natürlich in den Stadtgesellschaften. Dort gibt es ganz viel Expertise in den Stadtwerken, in der Wohnungsgesellschaft, im digitalen Innovationszentrum, das uns dabei unterstützt, aber auch mit lokalen Partnern. Wir haben dort Unternehmen vor Ort, die gerade in diesem 3D oder in diesem AR-Umfeld starke Expertise haben und das nutzen wir natürlich für uns.

Mareike Donath
Du hast viel im Kopf, du hast dich mit vielen Dingen beschäftigt. Wie sieht denn das mit deinen Mitstreiterinnen aus, mit denen du zusammenarbeitest? Die sind sicherlich auch Feuer und Flamme und stecken im Thema. Grundsätzlich, wie fit ist dann sozusagen die Stadt für das Thema Smart-City? Wie schätzt du das ein?

Daniel Kersten
Also wie in jedem Kontext haben wir ganz unterschiedliche Zugänge. Wir haben Experten, aber wir haben natürlich auch ganz viele Kolleginnen und Kollegen, die von Anfang an abgeholt und mitgenommen werden müssen. Das kann man gar nicht so einfach beantworten mit einem Wort. Grundsätzlich habe ich eine große Offenheit, erlebe ich. Also diese Themen auch aufzunehmen und auch gleichzeitig zu überlegen: „Hey, wie kann ich das, was dort entsteht? Wie kann ich das für meine Arbeit nutzen? Was kann ich dort rausziehen, um vielleicht effektiver zu arbeiten, zu neuen Erkenntnissen in meinem Arbeitsumfeld zu kommen? Und da geht es auch gar nicht darum, technisch groß versiert zu sein in diesen Themen, sondern wir brauchen ja auch ganz extrem die Fachexpertise und die ist durchweg gegeben. Daher ist immer die Frage: Wie gehe ich auf die Personen zu? Wie kann ich das Wissen, das vorhanden ist, geschickt einbinden? Weil, ohne das Wissen der Personen vor Ort geht das nicht.

Mareike Donath
Das heißt, die Kolleginnen und Kollegen, wenn sie dich sehen, müssen nicht vor Schreck erstarren, sondern sagen: „Wunderbar, wir bauen zum Beispiel diesen digitalen Zwilling auf, bringen uns ein mit unserer Fachexpertise und müssen eigentlich nur eine gewisse Offenheit mitbringen. So fasse ich das zusammen.

Daniel Kersten
Ja, ich hoffe, dass niemand Angst vor mir hat.

Mareike Donath
Daniel, vielen, vielen Dank für den ersten kurzen Einblick. Ich möchte nun meine zweite Gästin vorstellen. Das ist Nicole Röttgers, Geschäftsführerin von Apiarista. Nicole, du und dein Unternehmen, ihr begleitet Verwaltungen, Unternehmen und auch Institutionen bei Veränderungsprozessen und damit seid ihr ein richtiges, aktives Werkzeug bei der digitalen Transformation und helft z. B. CDOs wie Daniel bei seiner Aufgabe. Habe ich das so richtig verstanden?

Nicole Röttger
Aktives Werkzeug, das gefällt mir gut. Erstmal, danke für die Einladung. Auch schön, dass wir das in der Kombi haben. Mit Daniel zusammen bin ich schon sehr gespannt, wie unser Ping-Pong gleich verlaufen wird. Genau, kurz zu mir: Nicole Röttger, hast du schon gesagt. Ich bin vieles tatsächlich. Ich bin staatlich anerkannte Pädagogin, ich bin Betriebswirtin. Ich bin aber auch Verwaltungswissenschaftlerin und Agile Coach und so ein bisschen erkennt man schon anhand dieses Spektrums oder auch das Spektrum der Ausbildungen, dass ich mich in verschiedenen Welten bewege und das sozusagen auch immer noch mal was ausmacht. Daniel hat vorhin schon von Adaption gesprochen. Das ist etwas, was zwangsläufig passiert. Wenn man so unterschiedliche Perspektiven auch einnehmen kann. Dann fängt man automatisch an, auf unterschiedlichen Bereichen die Dinge zu versuchen, anzuwenden, aber das geht natürlich selten eins zu eins, insbesondere wenn man von der Betriebswirtschaft in die Verwaltungswissenschaft wechselt. Allein da gibt es Kontraste. Und zu Apiarista: Wir sind auf Modernisierung und Entwicklung von Organisationen spezialisiert. Also Veränderung ist quasi unser Kerngeschäft und das Ganze kombiniert mit einem prall gefüllten Koffer an Methoden und Tools, die wir, so wie ich es eben schon angerissen habe, für die entsprechenden Herausforderungen dann auch adaptieren, sofern erforderlich.
In den meisten Fällen ist es erforderlich. Und das bedeutet, dass wir sowohl in der Wirtschaft als auch in der Verwaltung unterwegs sind. Was auch immer spannend ist, zu sehen, wie das unterschiedliche Tempo ist, die unterschiedlichen Bedarfe und an welchen Stellen es dann doch irgendwie, will nicht sagen, dasselbe ist, aber sehr, sehr ähnlich. Also die Schmerzpunkte, die dann wiederum sehr ähnlich sind.

Mareike Donath
Welche Schmerzpunkte sind das?

Nicole Röttger
Das ist immer, wenn sozusagen tolle Themen in der Luft rumschwirren und ich überspitzte mal, eine Sau durchs Dorf getrieben wird und man den Leuten nicht die Chance gibt, in dem Thema anzukommen oder zu verstehen, warum machen wir das jetzt eigentlich? Also in vielen Fällen wird das Why oder dieses Warum tun wir es eigentlich? Was ist der Sinn dahinter? Zu wenig transportiert und zu wenig transparent gemacht und greifbar gemacht. Und das bereitet sowohl in der Verwaltung als auch in der Wirtschaft Probleme.

Mareike Donath
Daniel, euer Why?

Daniel Kersten
Die Stadt voranzubringen, also zu überlegen, wie können wir die Stadt lebenswert erhalten? Wie können wir sie lebenswert machen? Wie können wir dafür sorgen, dass Personen, die vor vielen Jahren weggegangen sind, wieder zurückkommen? Beispielsweise, weil sie erkennen, es ist hier nicht nur eine schöne Natur, eine schöne Umgebung, sondern wir haben ja auch darüber hinaus vieles zu bieten. Wir sind eine intelligente Stadt, die auch durchaus mithalten kann mit Metropolen, was das Digitale angeht. Das ist unser Why. Aber das, Nicole, was du gesagt hast, finde ich sehr spannend. Wie erlebst du denn die Offenheit der Verwaltungsmitarbeiter jetzt insbesondere?

Nicole Röttger
Ich hätte vorhin am liebsten, als du deine Frage bekommen hast, auch schon gesagt: „Ich hätte mit „Es kommt darauf an geantwortet. Und das ist auch in diesem Fall so: Es ist wirklich nicht so trivial, weil es eben sehr, sehr unterschiedliche Menschen gibt und auch unterschiedliche Prägungen. Ich würde sagen, den typischen Verwaltungsmitarbeiter, den man vor Augen hat, der tut sich ein bisschen schwerer mit Veränderungen und das einfach in seiner Natur oder muss es, weil sein Job ist auf Routine angelegt, auf Stabilität angelegt, darauf, dass ein Prozess akkurat durchläuft und das sozusagen gesetzeskonform. Das, was aber jetzt Digitalisierung quasi fordert, ist ein Menschenschlag, der eine gewisse Risiko-Affinität hat oder zumindest sagt: „Ich gehe das Risiko ein. Ich weiß, mit einem anderen Vorgehen muss ich auch damit leben, dass nicht alles glatt läuft, dass es Risiken gibt, dass es nicht 100% durch die Zielgerade geht, sondern vielleicht ein Stückchen daneben. Und die, würde ich sagen, sind deutlich affiner für diesen Veränderungspart, weil sie das sozusagen aus ihrer Ausbildung größtenteils kennen oder in diesen Unternehmen dann vielleicht auch schon mal agiert haben. Also viele, die aus Wirtschaftskontext kommen – du bist ja auch sozusagen ein Quereinsteiger an der Stelle, Daniel –, das macht es leichter und das hilft auch denjenigen, die sich ein bisschen schwerer tun, zu sehen: „Guck mal, so sieht das aus, wenn wir es tun.
Wenn wir jetzt nur, ich sage mal, die klassischen Verwaltungswissenschaftler oder Verwaltungsmitarbeiter hätten, da muss ich sozusagen noch viel mehr damit umgehen, dass sie Sorge haben, dass sie etwas falsch machen können, dass sich massive Dinge verändern, dass vielleicht sogar auch ihr Job verloren geht. Also all die Sorgen, mit denen umzugehen, das betrifft vor allem diejenigen, die einfach, wie soll ich sagen, Verwaltungskinder durch und durch sind.

Mareike Donath
Nicole, Hypothese: Je besser der Absicherungsmechanismus von oben gelebt wird, die Risikobereitschaft erwartet, abgesichert den Rahmen gibt, desto eher bin ich bereit, diesen Veränderungsprozess mitzugestalten.

Nicole Röttger
Ich würde sagen, ja. Immer dann, wenn jemand mit etwas Neuem konfrontiert ist und aber eine Möglichkeit hat zu sehen: „Guck mal, ist gar nicht so schwer” oder „Guck mal, geht” oder „Ist in Ordnung”, der wird zumindest nicht komplett in den Widerstand gehen, weil er einfach sieht, okay, es gibt ein gewisses Dafür, so ein Stück weit wie in der Kindererziehung. Also ich kann sozusagen ganz schnell Dinge intervenieren oder dem Kind das Gefühl geben, was du tust, ist falsch. Das kann ich auch über Verhalten beeinflussen. Ich kann aber auch über eine positive Verstärkung dafür sorgen, dass es klar ist, transparent ist. Es ist in Ordnung, was auch immer du jetzt tust. Wir gehen mit dem um, was dann passiert. Wenn eine Hausspitze oder auch eine Führungskraft es schafft, zu transportieren, wir wollen alle eine gute Arbeit liefern, wir wollen am Ende ein gutes Ergebnis und jeder trägt seinen Teil dazu bei und wir versuchen es sozusagen gemeinsam. Wenn das so eine Botschaft ist, die bei den Leuten ankommt, aber es ist in vielen Fällen so, dass das so nicht in Fleisch und Blut bei den Leuten drinsteckt, sondern tatsächlich eher die Sorge dominiert. Wenn ich was falsch mache, dann gibt es eine Konsequenz, auch wenn es nur ein Gefühl ist. Daniel?

Daniel Kersten
Ja, ich erlebe in meiner Rolle, dass von den Führungskräften, von der Stadtführung her, dass dort vielleicht die Offenheit bei den Personen gar nicht so groß ist, auf der anderen Seite, aber Vertrauen gesetzt wird in Personen, die von außen kommen und neue Ideen reinbringen und die dann auch sagen: „Okay, wir schauen uns das mal an, wir geben einen Vertrauensvorschuss und gucken, wie weit wir kommen oder wohin wir kommen, wenn wir mal in einem schützenden Umfeld andere Wege gehen. Das pflanzt sich fort. Wir merken, dass in unserer Projektarbeit innerhalb der Stadtverwaltung, in den E-Government-Projekten insbesondere, dass wir dort auch andere Herangehensweisen ausprobieren und das pflanzt sich dann innerhalb der Stadtverwaltung fort, dass wir dann merken, die Projektmitarbeitenden lernen eine andere Art der Projektarbeit beispielsweise kennen, eine agilere Art der Projektarbeit, und bringen das wiederum in ihre Bereiche rein, sodass wir so eine Art Graswurzel Beziehung haben, die aber auch von der Führung gewollt ist. Da ist ganz klar, dass das unterstützt wird. Aber genau dieses Punktuelle, dieses „Wir lernen in kleinen Schritten”, wir schauen uns das mal an, das ist auch ein ganz wichtiger Punkt für mich.

Nicole Röttger
Finde ich auch tatsächlich noch mal wichtig zu betonen, dieses anfassen können, dieses mal gucken können, wie das funktioniert. Auch da kommen wir quasi wieder zum Pädagogikteil aus meiner Ausbildung. Das tun ja Kinder ganz häufig auch in einer bestimmten Phase sogar sehr intensiv. Sie gucken, wie es die anderen machen und dann imitieren sie im Grunde. Und so ist es manchmal in so Veränderungsprozessen auch, dass die Leute erst mal sehen wollen, wie geht denn das genau? Erklär's mir doch noch mal, bevor ich ins Risiko gehe, transparent machen zu müssen, dass ich nicht weiß, worum es hier eigentlich geht oder dass ich nicht verstanden habe, wie diese Technologie mir eigentlich helfen soll. Das ist ja auch etwas, was gefühlt in unserer deutschen Genetik oftmals drin ist. Ich sage lieber gar nichts, bevor jemand merkt, dass ich keine Ahnung habe. Das ist am Ende auch nicht tragisch. Also gerade wenn es wirklich ganz neue Themen sind, ist ja irre zu glauben, dass alle schon gleich Bescheid wissen, wie KI im Detail funktioniert, erwartet ja gar keiner. Also sprich, wir haben an ganz vielen Stellen weniger das technische Problem, sondern wirklich ganz viel die Arbeit mit den Menschen und die wird in den meisten Fällen maximal unterschätzt, dass es das braucht, weil es halt so weich und nicht greifbar ist.

Mareike Donath
Ihr habt das Thema Kulturfrage angesprochen und ihr habt das Thema Instrumentenkasten angesprochen. Aus eurer Perspektive, welche Kompetenzen – du sprichst es gerade an, Nicole, KI ist ja gerade erst irgendwie auf dem Markt und man muss sich damit auseinandersetzen – Es sind aber ganz viele Themen, die man beherrschen muss. Welche Kompetenzen muss ein zukünftiger Verwaltungsmitarbeiter oder eine Mitarbeiterin mitbringen?

Daniel Kersten
Aus meiner Sicht gar keine spezifischen, sondern es geht eine allgemeine Offenheit, eine Lernbereitschaft zu sehen. Also: „Wie funktionieren Dinge?” Das hinterfragen, aber auch dieses ständige Überlegen: Was kann meine eigene Arbeit verbessern und wie gehe ich mit meinem Erfahrungsschatz, den ich habe, an diese neuen Themen heran, die mir da vermittelt werden. Und das ist, glaube ich, eine Grundkompetenz, die da sein muss, diese Offenheit. Auf der anderen Seite sehe ich auch Themen wie Projektmanagement. Das ist ein ganz wesentlicher Part, wenn auch Auszubildende bei uns sind, die wir unbedingt mit auf den Weg geben müssen. Also miteinander arbeiten. Also, Verwaltungshandeln war ja bisher davon geprägt, dass wir ganz viel Spezialwissen hatten. Das Steuerrecht hat ganz viele Details und da gab es Mitarbeitende oder gibt es Mitarbeitende, die diese ganzen Verästelungen alle im Detail kennen. Und wir brauchen jetzt einen Blick, der dieses Spezialwissen hat, aber gleichzeitig auch über den Tellerrand hinaus geht.
Das führt zu diversen Projektteams und das erfordert wiederum Kompetenzen, auch im zwischenmenschlichen Bereich in ganz diversen Teams zu arbeiten und mit ganz unterschiedlichen Sichtweisen umgehen zu können, gleichzeitig sich aber auch nicht zu verstecken, sondern zu sagen: „Ich kenne mich jetzt vielleicht nicht mit KI aus, aber ich bin der Experte im Baurecht” und kann diese Expertise einbringen in das Projekt.

Nicole Röttger
Ja, teile ich zu 100%. Ich glaube auch, dass es im Wesentlichen eine Offenheit braucht für Veränderungsthemen. Sprich, wir gehen deutlich über das hinaus, was wir bisher so kennen, nämlich nicht nur diese Fachexpertise, wo Verwaltung, glaube ich, wirklich stark ist, also dieses Spezialwissen in diesem Verwaltungskontext. Und auch das Know-how für Technologie ist schon wichtig, aber ich glaube, dass es wirklich nur einen ganz kleinen Teil ausmacht. Wir reden eigentlich viel stärker und das ist neu, von der Methodenkompetenz. Also es reicht sozusagen nicht nur Dinge zu wissen, sondern viel stärker auch zu lernen: Welche Instrumente kann ich denn nutzen in bestimmten Kontexten? Also beispielsweise, wenn es darum geht, noch mal stärker in Richtung Bürger:innen zu denken oder auch einfach die Nutzerzentrierung noch mal stärker in den Blick zu nehmen. Da geht es ja nicht nur um Know-how im Sinne von Fachwissen, sondern es geht darum: Wie näher ich mich denn eigentlich einer guten Lösung für einen entsprechenden Kunden? Da stärker hinzukommen, dass es nicht nur einen Auftrag gibt und ich arbeite ihn ab und fertig, sondern eher ein: Was brauchst du denn tatsächlich, damit das, was ich dir liefere, funktioniert? Damit reduzieren wir am Ende übrigens auch ein Stück weit Aufwand, wenn wir stärker in diese Art und Weise gehen.
Aber auch auf der Führungsebene beispielsweise würde ich sagen, dass es da auch noch mal einen starken Aufbau an Kompetenzen braucht, weil es eine andere Art von Führung ist, wenn ich stärker in die Befähigung meines Teams gehe. Also der bisherige Führungsweg in der Verwaltung ist ja, ich delegiere. Ich bin im Zweifel oder sehe mich als den Experten für diesen Bereich und dann gibt es Menschen in meinem Bereich, die abarbeiten und mir vielleicht auch zuarbeiten. Jetzt gehen wir stärker hin zu, ich sage mal, einem Team-Coach, der dafür sorgt, dass das Team liefern kann, gut liefern kann. Und das ist eine völlig andere Art und Weise, voranzugehen, was im Hierarchie Konzept sozusagen auch noch mal ganz neue Fragen aufwirft. Also wenn ich sage, durch Hierarchie ist mein Ansehen, ist mein Status geprägt, ist auch sozusagen meine Expertise abgebildet. Das habe ich im Zweifel in den neueren Modellen so nicht. Das bedeutet nicht, dass Verwaltung diese Art auch in der Hierarchie abgebildet haben muss, aber ich glaube, es ist wichtig für das Tempo, was wir teilweise brauchen, dass wir da zumindest stärker drüber nachdenken: Wie kann das dann für Verwaltung trotzdem adaptiert werden, genutzt werden?

Mareike Donath
Daniel, wenn du das hörst, Hierarchische Strukturen versus der Team-Leader als Coach. Ich sehe viele, viele Fragezeichen auf den Stirnen der Kollegen. Wie schätzt du das ein?

Daniel Kersten
Ja, das sind in der Tat neue Ansichten, neue Wege, die wir da gehen müssen. Und die Fragezeichen sehe ich auch. Wie gesagt, in der Projektarbeit erleben wir das im Kleinen, wie sich das nach und nach auflöst, wenn man es erlebt. Also wenn wir zeigen in dem Projekt: „Okay, so geht Arbeiten auch, so kann das auch funktionieren, vielleicht auch effizienter, vielleicht auch mit kürzeren Wegen, nicht die Hierarchie rauf und dann wieder runter, sondern einfach Querverbindung auch zu schaffen, informelle Netzwerke zu schaffen, die dafür sorgen, dass Informationen schneller fließen können innerhalb von Projekten. Und hier gilt es auch ein Stück weit, die Angst zu nehmen, dieses Change Management, mit Change Management-Methoden dafür zu sorgen, dass alle mitgenommen sind und das Verständnis für diesen Änderungsdruck, den wir haben, dass der da ist. Es sind neue Kompetenzen und wir müssen das unterstützen, dieses Wissen auch zu vermitteln.

Nicole Röttger
Ich glaube, das ist der Punkt: Warum machen wir das eigentlich? Die Frage bleibt oder die Fragezeichen bleiben, wenn ich nicht adaptiere. Wenn ich sage: „Guck mal bei den Start-ups, das klingt lustig, das klingt Englisch, das klingt sexy, das nehmen wir jetzt eins zu eins mit zu uns. Das ist der Part, wo es tatsächlich schwierig wird. Das ist auch aus meiner Sicht eine Kernexpertise oder eine Kernkompetenz, die an manchen Stellen auch noch in der Verwaltung fehlt, weil sie unterschätzt wird, Kommunikation. Das klingt maximal platt, aber warum ist es wichtig? Es reicht nicht, nur eine E-Mail zu verschicken mit „Hier, Leute, so gehen wir demnächst vor. Seht zu, dass das klappt und Tschüss, schönen Tag”, sondern tatsächlich braucht es viel, viel mehr, was das angeht. Ich muss mir erstens überlegen: Wie formuliere ich es überhaupt, damit das die Leute erreicht, weil es nicht nur eine Sachebene ist, sondern es ist auch sehr klar eine emotionale Ebene. Also was braucht es, damit die Leute sagen: Ja, cooles Ding. Ich verstehe das Why. Das eine ist, es einmal zu sagen, das andere ist aber auch, es zu leben, zu vermitteln, vielleicht auch mit Bildern zu unterstreichen und eben authentisch, sodass die Leute sagen: Jup, das sind wir. Das, was der da sagt oder das, was der da schreibt oder die, das ist genau das, das spiegelt mich wider. Das ist es oftmals nicht, wenn wir versuchen, in so einer technokratischen Sprache auf einer reinen Sachebene Sachen zu vermitteln und zu sagen: „Die Leute wissen es doch. Ich habe es denen doch gesagt. Ja, und nochmal, und noch mal. Und im Zweifel braucht es auch noch eine Wiederholung. Auch so ein bisschen aus der Pädagogik und aus der Lernpädagogik. Manchmal hilft es, das ab und zu zu wiederholen und nicht im Sinne von „Mein Gott, wann kapierst du es endlich? Sondern es braucht einfach auch Zeit, anzukommen. Und zur anderen Frage: Warum eigentlich? Warum braucht das vielleicht auch diese Methodenkompetenz? Wir brauchen es tatsächlich, weil die Organisationsform Verwaltung für einen bestimmten Zweck total gut funktioniert, aber eben nicht für das, was wir jetzt bei dieser komplexen Aufgabe oder komplexen Herausforderungen Digitalisierung, was wir da eigentlich brauchen. Wir brauchen eine Dynamik, wir brauchen Expertisen und das Ping-Pong oder auch das Miteinander, das muss viel, viel schneller und viel, viel intensiver passieren. Also das, was sozusagen Verwaltung stark macht, nämlich dieses intensive Prüfen und das Akkurate durch den Prozess durchgehen anhand von Gesetzesvorgaben.
Das funktioniert eben nicht für die Themen, wo ich erst mal herausfinden muss, wie geht denn das Ganze? Da habe ich sozusagen an vielen Stellen ja gar nicht die Zeit, das erst mal ganz intensiv zu prüfen. Daniel hat das vorhin im Einstieg so schön gesagt: Der Weg öffnet sich beim Gehen. Und das ist genau dieses Grundprinzip: Wir müssen es erst mal herausfinden, was es ist, weil es gibt keine Blaupausen. Dafür ist das Thema viel zu komplex und für jeden brauche ich sozusagen noch mal stärker eine andere Facette und das macht das so herausfordernd. Das bedeutet, je mehr ich ausprobieren kann und das am Anfang in kleineren Schritten, desto besser ist es für die Leute auch greifbar: Was machen wir da eigentlich gerade? Und im Tun kann ich sozusagen dann auch immer stärker schauen, in welche Richtung kann ich die Leute noch stärker unterstützen, noch stärker ,in Anführungszeichen, treiben, sodass wir den Change auch gut hinbekommen. Aber das kostet Zeit, kostet Kraft und kostet vor allem auch Energie für diejenigen, die es treiben. So jemand wie Daniel, der braucht viel Kraft.

Daniel Kersten
Ich habe aber auch gute Kollegen, die mich unterstützen. Das ist gut. Und in dem Zusammenhang möchte ich noch auf ein Format hinweisen, das wir bei uns in der Stadtverwaltung etabliert haben. Wir haben einen sogenannten Digitalk. Da reden wir in Rhythmen von ungefähr drei Monaten über ein bestimmtes Thema. Beispielsweise KI, aber dann nicht nur abgehoben, sondern an konkreten Beispielen. Das wird dann intensiv durch meine Kolleginnen und Kollegen vorbereitet. Es ist ein offenes Format, also jeder kann teilnehmen. Wir laden über das Intranet ein und diejenigen, die sich dort reinschalten, bekommen dann eben nicht nur gezeigt, was alles geht, sondern das ist dann eine offene Fragerunde. Und wir haben erlebt, also bei den ersten Terminen, die wir doch hatten, waren vielleicht zehn Kolleginnen und Kollegen dabei und mittlerweile ist es ein Format, das sehr intensiv angenommen wird, wo wir ja unterschiedlichste Themen eben von KI über: Wie arbeite ich mit agilen Projektmanagementmethoden? Kanban wird dort gezeigt, und zwar nicht nur abgehoben, sondern ganz konkret: Wie wenden wir das an? Wie kann man es im Projekt machen? Wie kann man es in der ganz normalen Aufgabenbearbeitung innerhalb des Teams anwenden. Dieser Praxisbezug, der ist da sehr wichtig. Wir merken, dass auch im Nachgang dann Fragen kommen von den Kollegen, wo das dann erst mal sacken muss und wo dann gezielt Fragen kommen: Hey, wie kann ich das denn jetzt konkret machen? Wie können wir das jetzt in meinem Bereich beispielsweise anwenden? Das zeigt mir, man muss in kleinen, niedrigschwelligen Happen das ganze Thema präsentieren und alle lernen dadurch, also auch meine Kolleginnen und Kollegen lernen dadurch, wie wird das aufgenommen, wie erfolgt überhaupt Vermittlung? Wie kann man das gut und effizient machen?

Mareike Donath
Ein richtiges, tolles Best Practice-Beispiel zum Thema auch Kompetenzvermittlung. Da eine Frage dabei: Kommen denn solche Fragen wie „Wenn die KI jetzt Einzug hält, werden wir überhaupt noch gebraucht?” Beschäftigt das die Leute bei euch?

Daniel Kersten
Vielleicht unterschwellig. Laut hat mir das noch niemand gesagt. Ehrlich gesagt glaube ich aber auch nicht, dass das ein verbreitetes Thema ist, weil alle merken, dass der Fachkräftemangel zuschlägt und jede Kollegin, jeder Kollege sieht auch den Berg an Arbeit, der ja auch nicht weniger wird. Und so ist es sehr willkommen, zu sagen: „Hey, wir haben ja andere digitale Möglichkeiten, den Aufgabenberg zu verringern oder Routineaufgaben zu verlagern auf eine Technologie, die im Hintergrund halt viele Sachen macht und die Freiräume schafft für die eigentliche Arbeit, nämlich beispielsweise die Beratung der Kundinnen und Kunden, wofür die Mitarbeiter ja eigentlich da sind. Aber ich kann durchaus verstehen, wenn es da Befindlichkeiten gibt und genau die Argumente, die ich gebracht habe, das muss halt interpretiert werden. Und zwar nicht, wie Nicole das vorhin schon erwähnt hat, mit einer Mail an die Kollegin: „Hey, alles nicht so schlimm, wir brauchen das, sondern da gilt es, ganz viele Gespräche auch zu führen, auch in die Teams reinzugehen, in der Projektarbeit immer wieder das Thema zu verstärken, dass die Ängste unbegründet sind, aber dass sie trotzdem ernst genommen werden.

Nicole Röttger
Die Punkte, die du gerade erwähnt hast und auch die Beispiele, die machen noch mal deutlich, wie wichtig es eigentlich ist, auch eine Verwaltung dahin zu bringen, stärker in Methoden, nicht in Verfahren zu denken, aber tatsächlich weg von dieser Einzelexpertise, weil natürlich habe ich die Sorge, dass mein Job wegfällt, wenn ich sozusagen nur eine ganz spezifische Expertise habe, die vielleicht wirklich von der KI abgenommen werden kann. Also wenn wir jetzt an so eine Poststelle beispielsweise denken, wo wir sagen, wir sind immer diejenigen, die per Hand einscannen. Wenn es automatisiert wird, natürlich habe ich dann die Sorge, dass mein Job wegfällt, weil de facto ist es genau so. Aber wenn ich auch solche Kollegen damit ausstatte, methodisches Wissen oder ein: Was bedeutet das denn sozusagen, was du dort spezifisch gemacht hast? Wo lässt sich das im Zweifel trotzdem noch umsetzen? Also dass man sozusagen nicht in diesem Tunnel bleibt, sondern stärker in Möglichkeiten denken kann. Und dieses Ausprobieren ist wirklich Key, also ist wirklich ein ganz wichtiger Baustein, weil erst dann fängt es sozusagen an, hier Klick zu machen. Ansonsten ist es immer eine sehr abstrakte Angelegenheit. Und im Energieministerium in MV haben wir die agilen Häppchen genau vor dem Hintergrund damals ausprobiert, wo es darum ging, wirklich in zwei Stunden einzuhalten, mal was zum Ausprobieren zu geben.
Also es waren agile Methoden, wirklich ganz klein und kompakt, aber immer mit dem Gedanken, das soll den Leuten auch irgendwas bringen. Und da war genau der Effekt, Daniel, den du eben beschrieben hast. Die waren am Anfang natürlich sehr skeptisch. So was ist das hier? Und überhaupt digital ist es auch noch. Aber das Ausprobieren hat dann ganz schnell dazu geführt: „Du kann ich das denn eigentlich noch verwenden? Ja, stimmt. Wir könnten doch eigentlich” … Und dann ging es schon los. Und das war der Effekt, der gewünscht war. Und wenn das sozusagen, dann hilft, dass die Leute mitdenken, mitagieren und tatsächlich auch ihre Bereiche anwenden und weiterentwickeln ist es perfekt. Also das brauchen wir für den Change, dass die Leute Bock drauf haben, genau dann damit umzugehen. Darum geht es.

Mareike Donath
Mitgestalten, mitdenken, mithandeln, Keywords für den digitalen Wandel, neben, ausprobieren und Tellerrand. Das habe ich von euch beiden immer wieder gehört.

Daniel Kersten
Aus meiner Sicht haben wir noch nie solche schnellen Umwälzungen gehabt in so kurzer Zeit. Auf der anderen Seite haben wir jetzt auch noch nie so viele Möglichkeiten auf einmal gehabt, so viele Lösungsansätze. Und das übereinzubringen, dazu brauchst du genau diesen Tellerrand, der beispielsweise auch durch die NØRD  gegeben ist. Die NØRD  ist ja eine Veranstaltung, wo sehr viel Know-how aus ganz verschiedensten Bereichen zusammenkommt, wo Start-ups sich präsentieren mit ihren spezifischen Lösungen für spezifische Probleme, wo es auf der anderen Seite aber auch Kontakt zu Gleichgesinnten, zu anderen Kommunen beispielsweise gibt, sich darüber auszutauschen, welche Wege wurden gegangen, welche Erfahrungen wurden gemacht. Dieses Reden, das hatten wir vorhin schon mal. Dieses Reden ist ein ganz wichtiger Punkt, ganz auf dem Weg der Erkenntnis, zu gucken: „Okay, wie machen es andere? Wie kann ich das anwenden?” Da finde ich so ein Format, in dem man sich treffen kann und austauschen kann, ganz ohne Verkaufsdruck, ohne dass da jemand hinter mir steht und sagt: „Hier, das ist jetzt 20 Minuten und kaufst du danach das Produkt oder nicht?” sondern es geht diesen Austausch, das voneinander da lernen und diese Atmosphäre, die insbesondere für die Mitarbeiter und Mitarbeitenden der Verwaltung, glaube ich, ein gutes Mittel, kurz Know-how einzusammeln und Erfahrungen zu teilen.

Nicole Röttger
Deine Frage klang so einfach, Mareike, aber ich finde die nicht so trivial tatsächlich, weil wir sprechen von Menschen, die sozialisiert wurden, in Silos zu denken oder in Silos zu agieren, also in ihrer Funktion. Da sind sie perfekt und danach wird das Werkstück an jemand anderes übergeben, der macht dann sozusagen das Ganze mit seiner Expertise. Das heißt, das, was jetzt eigentlich die NØRD  auch bietet, diese Vernetzung, ist sozusagen nicht das, was einem Verwaltungsmitarbeiter als erstes einfällt. Aber es ist mega, mega wichtig, nicht nur über den Tellerrand zu schauen, sondern tatsächlich auch mit anderen Branchen, anderen Expertisen in den Austausch zu kommen, mitzunehmen, was einem selber helfen kann. Auch das ist etwas, was, glaube ich, Verwaltung auch üben muss: Was können wir tatsächlich von den Dingen, die da draußen existieren und mögen sie noch so abgespacet und verrückt sein? Was davon können wir für uns nutzen, wenn wir sehen, dass es dort funktioniert? Es wird niemals eins zu eins funktionieren. Silicon Valley wird in einer kommunalen Verwaltung nicht stattfinden. Aber es gibt bestimmte Prinzipien, bestimmte Ansätze, wo man zumindest darüber nachdenken kann, haben wir trotzdem die Möglichkeit, Facetten und Aspekte rauszuziehen. So wie wir es auch bei den agilen Methoden diskutieren.
Natürlich macht das nicht Sinn für eine komplette Kommunalverwaltung Scrum einzuführen. Warum auch? Nichtsdestotrotz gibt es bestimmte Facetten in diesem Framework, in dieser Vorgehensweise, die natürlich helfen kann oder mindestens auch im IT-Kontext. Auch dafür ist, glaube ich, die NØRD  ein toller Ort, sich einfach mal inspirieren zu lassen, Dinge  zum Ziel zu nehmen. Und wie Daniel schon gesagt hat, ich muss hier in dem Sinne nichts kaufen, sondern das Wichtigste ist ja, ich kann vor allem Wissen aufsaugen, ich kann tolle Menschen kennenlernen, ich kann es vor allem auch auf der Tonspur hören und habe die Möglichkeit mal zu gucken, was geht denn da eigentlich so hne Druck, entsprechend. Wir haben übrigens für Mecklenburg-Vorpommern ja das Ziel, auch einen Gov Tech-Campus aufzuziehen. Das bedeutet, auch dort wird es darauf ankommen, die unterschiedlichen Branchen, die unterschiedlichen Experten zusammenzuführen, mit dem Ziel, Verwaltung zu modernisieren, Verwaltung voranzubringen. Es wird wahrscheinlich am Anfang auch sehr niedrigschwellig sein, aber auch das ist sozusagen dann etwas, was geübt werden muss, nämlich: Wie kommen wir miteinander in den Austausch? Wir mögen total anders sein, wir mögen eine total andere Sprache sprechen, aber wir müssen miteinander reden, weil wir was voneinander haben. Wir können voneinander lernen, und zwar beide Seiten. Und das, wie gesagt, dass sich bei der NØRD  einerseits die Impulse, aber vor allem der Austausch, der an den Ständen stattfindet oder auch bei den sämtlichen Events und an den Bühnen.

Mareike Donath
Daniel, inwieweit steckt ihr schon im Thema GovTech-Campus? Wie weit könnt ihr euch schon damit auseinandersetzen?

Daniel Kersten
Ja, beim GovTech geht es ja auch darum, dass das Thema Government, also Verwaltung, zusammengebracht wird mit Technologie und Herangehensweise an Themen. Und das ist sehr interessant. Ich denke, das fehlt ja auch noch im Land. Und das ist ein Thema, wo ich auch ganz interessiert hinschaue und schaue, wie können wir das bei uns ganz konkret anwenden? Also welche Themen werden dort behandelt? Welche Kolleginnen und Kollegen können dort vor Ort auch ihren Beitrag leisten beziehungsweise können dort Erfahrungen sammeln. Das finde ich sehr spannend und freue mich auch auf der NØRD , etwas mehr darüber zu erfahren. Noch ein Wort an meine Kolleginnen und Kollegen in der Verwaltung, in den Verwaltungen im Smart-City-Kontext Mecklenburg-Vorpommern. Kommt zur NØRD , lasst uns dort treffen und austauschen. Ich freue mich immer über neue Impulse und ich denke, da haben wir auf jeden Fall Zeit und Raum für ganz viele Gespräche und ganz viele Einblicke. Also in dem Fall, ich freue mich auf die NØRD  und freue mich oft, euch dort zu sehen.

Mareike Donath
Danke schön, Daniel. Nicole, hast du noch etwas, was du unseren Hörerinnen und Hörern mitgeben möchtest? Deine Abschlussbotschaft.

Nicole Röttger
Vielleicht noch mal ein Gedanken vorneweg: Das Studium Public Management war vor allem davon geprägt, dass es hieß, wir modernisieren die Verwaltung. Wir bringen quasi das Management in die Verwaltung. Ich weiß, dass tatsächlich von all den Studenten, die es damals gab, maximal einer tatsächlich in die Verwaltung gegangen ist, weil fast alle gesagt haben: „Das ist so schwer und das ist noch so weit weg. Wie soll das eigentlich stattfinden?” Und mein Eindruck ist, dass wir jetzt gerade an so einer Welle stehen, wo wir vielleicht tatsächlich diesen Schwung hin bekommen, so ein Stückchen befördert durch das, was das OZG in Kombination mit Corona quasi schon geschafft hat. Da sind wir natürlich noch nicht am Ziel, aber diesen Push, diese Dynamik, die da gerade entstanden ist für das Thema Digitalisierung, für das Thema Weiterentwicklung der Verwaltung. Ich glaube, dass da gerade eine ganz große Chance entstanden ist und die gilt es im Grunde jetzt auch weiter zu forcieren. Deswegen ist im Grunde meine Botschaft an die Menschen da draußen, insbesondere die Menschen aus der Verwaltung, aber auch diejenigen, die mit Verwaltung interagieren, seien es Bürger:innen oder auch Partner der Verwaltung: Lasst euch drauf ein, gestaltet vor allem mit. Ich weiß, dass für Verwaltung dieser Aufruf „gestaltet mit ein manchmal nicht ganz nachvollziehbarer ist, weil auch da sozusagen die Sozialisierung eigentlich nicht so ausgerichtet ist, dass das etwas ist, was sofort einen Impuls auslöst.
Aber genau das wird gebraucht. Wir brauchen sozusagen weniger ein „Hier ist das Angebot, kannst du kaufen, sondern noch viel stärker ein „Mach mit, damit das für dich auch funktioniert, damit du es in deinem Sinne nutzen kannst.” Und wenn wir das sozusagen weiter in die Bewegung treiben können, dann glaube ich, haben wir alle gewonnen, weil Verwaltung wird gebraucht. Verwaltung ist ein wichtiger Dienstleister in unserer Gesellschaft und der muss gut funktionieren. Wir haben gar keine andere Wahl.

Mareike Donath
Was ganz deutlich wird, wenn ich euch zuhöre: Es hängt immer an Personen, ob Führungskraft oder die CDOs oder Expert:innen. Jeder hat seine Rolle. Und wenn jeder seine Kraft reinbringt und mitgestaltet, dann kann auch Transformation gelingen. Es ist weder eine One-Man-noch eine One-Women-Show. Daniel, das hast du auch schon angerissen, wie beim Smart-City-Projekt der Stadt Neubrandenburg.

Daniel Kersten
Ja, es ist ein Prozess. Also viele kleine Schritte und zum Teil auch eine neue Generation. Es gibt im Moment viele Quereinsteiger bei uns und das merkt man auch in der ganzen Kultur, die sich doch ein Stück weit ändert und die dann auch wiederum abfärbt auf diejenigen, die schon lange dabei sind.

Nicole Röttger
Also ich finde das sehr sympathisch, Daniel, dass du an der Stelle so bescheiden bist, aber ich weiß auch, was es sozusagen von dir letztlich braucht oder mit dir braucht, damit das eine Chance hat, das Thema, oder dieser riesige Komplex. Also du hast gesagt, tolle Mitstreiter, aber es braucht eben den Kopf, der sagt: „Ich will das mit treiben. Ich möchte, dass die Leute den Raum haben, dass sie gestalten können. Und dann haben wir am Ende tatsächlich alle etwas davon. Also das Why, was du vorhin formuliert hast, das musst du ja trotzdem auch vermitteln, das musst du ja trotzdem auch transportieren und das scheinst du gut hinzubekommen. Also insofern Hut ab.

Daniel Kersten
Vielen Dank. Was ich gemerkt habe, neulich in diesem Workshop, da waren ja wirklich die Geschäftsführer von den ganzen Gesellschaften alle dabei. Die sind ja alle bereit, die wollen ja alle. Aber ich glaube, es hat genau das gefehlt, alle mal zusammen zu holen und zu sagen: So, und jetzt machen wir nochmal, „Kick-off ist das falsche Wort, weil alle sind schon dabei, aber jetzt gehen wir nochmal gemeinsam los. Und jetzt machen wir ein Kernteam und dann gucken wir, wie wir den Strategieprozess gestalten. Und das fehlt, dieses Zusammenbringen, weil alle wollen schon, alle denken auch in genau die richtige Richtung. Nur dieser kleine Anstoß, den es manchmal braucht. Und das ist auch ganz gut, wenn der manchmal von außen kommt. Und der kann auch durch eine NØRD  passieren, dass dort genau dieser kleine Stein des Anstoßes passiert, der ganz viel in Bewegung setzt.

Mareike Donath
Liebe Hörerinnen und liebe Hörer, wir sind am Ende unserer Podcast-Folge angelangt. Mitgestalten, mitdenken, mit ausprobieren. Dazu laden wir Sie recht herzlich ein. Kommen Sie zu NØRD  2024 am 29. Und 30. Mai in der Hansemesse Rostock. Kommen Sie ins Gespräch. Nutzen Sie diese Plattform zum Erfahrungsaustausch und zum Wissenserwerb. Alle Informationen rund die NØRD  2024 finden Sie natürlich auf unserer Website digitalesmv.de und auch in den Shownotes zusammengefasst. Ich freue mich auf Sie.
Herzlichst, Ihre Mareike Donath.