Mareike Donath
Liebe Hörerinnen und liebe Hörer, schön, dass Sie wieder dabei sind bei einer neuen Folge des Podcasts Vom digitalen MV. Mein Name ist Mareike Donath und ich leite die Stabsstelle für den digitalen Wandel im Ministerium des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Wir sind auf dem Weg zum Endspurt in Richtung unserer großen Digital Convention, der NØRD 2024. Vom 29. Bis zum 30. Mai sprechen wir in der HanseMesse Rostock zum Thema digitaler Wandel und tauschen uns aus, lernen und blicken gemeinsam über den Tellerrand. Mit unserem Podcast geben wir Ihnen bereits einen kleinen Einblick in das, was sie auf der NØRD 2024 erwartet. Digitale Innovationen treffen auf Start-ups, Wirtschaft, Wissenschaft, Verwaltung, Kultur, aber auch Zivilgesellschaft. Längst hat auch der digitale Wandel bei NGOs Einzug gehalten. Aber welche Vor-und Nachteile bringt denn die digitale Welt für ein freiwilliges Engagement mit sich? Wie kann Digitalisierung das Ehrenamt stärken? Und wie gelingt der Zusammenschluss zwischen Wirtschaft, Politik und Zivilgesellschaft? Darüber spreche ich mit Katarina Peranić. Sie ist Gründungsvorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt.
Hallo Katharina. Schön, dass du da bist, aber stelle dich doch gerne
selbst einmal vor.

Katarina Peranić
Ja, erst mal herzlichen Dank, dass ich hier sein darf. Ich bin Gründungsvorständin der Deutschen Stiftung für Engagement und Ehrenamt, eine Bundesstiftung, die sich deutschlandweit, also bundesweit, darum kümmert, engagierte Menschen dabei zu unterstützen, ihr freiwilliges Engagement noch besser zu machen. Und wir sind eine recht junge Stiftung. Uns gibt es jetzt seit dreieinhalb Jahren. Wir sitzen in Neustrelitz, was natürlich richtig schön ist, weil das eine ganz, ganz tolle Gegend ist. Wir sind mittlerweile 80 Personen, die dort arbeiten. Und das, was die Stiftung anbietet, ist sehr vielfältig, genauso wie das Engagement in Deutschland sehr vielfältig ist. Wie wir ja wissen, gibt es fast 28,8 Millionen Menschen, die sich bundesweit in ihrer Freizeit engagieren. Und da gibt es natürlich ganz, ganz viel Spaß und Freude, aber es gibt auch einige Herausforderungen und dabei wollen wir helfen, diese Herausforderungen anzupacken und gute Lösungen für die Engagierten anzubieten. Das heißt, ganz konkret: Wir bieten Förderprogramme an. Also das heißt, wir unterstützen finanziell, wir beraten beispielsweise im Bereich juristische Beratung, aber auch, was immer ganz wichtig ist, finanzielle Beratung, also Fundraising. Und wir haben ein sehr umfangreiches Qualifizierungsangebot, wo wir von den Brot-und-Butter-Themen des Engagements, wie beispielsweise Buchhaltung, Steuerrecht, Gemeinnützigkeitsrecht informieren, aber auch in den Themenbereichen freiwilligen Management, Nachwuchsgewinnung und natürlich Digitalisierung. Wir haben einen großen Schwerpunkt darauf, gerade Vereine und Organisationen in ländlichen und strukturschwachen Räumen zu unterstützen, weil dort das Engagement noch mal viel wichtiger ist als anderswo und vor allem im Bereich der Digitalisierung und Innovation zu unterstützen, weil das wissen wir ja alle, wir befinden uns in großen Transformationsprozessen und die betreffen das Ehrenamt genauso wie auch alle Menschen, die im beruflichen Kontext unterwegs sind oder eben auch im privaten Bereich. Ja, und ansonsten, vom Background her: Ich bin Politikwissenschaftlerin, in Stuttgart geboren, kroatische Wurzeln. Dann hat es mich nach Berlin verschlagen und seit dreieinhalb Jahren, wie gesagt, in Neustrelitz tätig, was eine ganz wundervolle Arbeit ist.

Mareike Donath
Katarina, im Bereich Digitalisierung: Was sind das für Projekte, die dir da einfallen? Wo wurden auch schon welche Meilensteine wie erreicht?

Katarina Peranić
Das ist eine große Frage. Da würde ich mal ein bisschen ausholen. Ich hatte es ja schon gesagt: Es sind wahnsinnig viele Menschen in Deutschland engagiert und das sind sie häufig in Initiativen, aber meistens in Vereinen. Wir haben in Deutschland rund 650.000 gemeinnützige Organisationen und ich selbst beschäftige mich mit dem Thema Digitalisierung und Zivilgesellschaft, also Engagement und Ehrenamt schon seit beinahe 20 Jahren und seit rund 15 Jahren auch so im Digitalbereich. Und was wir gesehen haben, war eine wahnsinnige Zäsur, als Corona kam. Ich weiß, wir können es alle nicht mehr hören, aber ich finde, das ist ganz anschaulich, hier mal die Erfahrung zu teilen. Im Juni 2020 haben wir angefangen, die DSEE aufzubauen in Neustrelitz. Und das waren damals ich und mein Vorstandskollege. Also zwei Menschen erst mal da alleine in Neustrelitz. Nach und nach haben wir Personal gewonnen, was uns aber umgetrieben hat, ist: „Wir können wir in dieser schwierigen Situation den Vereinen vor Ort helfen? Und dann haben wir relativ schnell ein Förderprogramm aufgesetzt, das damals hieß „Gemeinsam wirken in Zeiten von Corona” und wo der Förderschwerpunkt vor allem im Digitalbereich lag, weil wir gesehen haben, ganz viele Aktivitäten sind zum Stillstand gekommen, weil die Vereine selbst entweder die Kompetenzen nicht hatten, digitale Tools zu nutzen, weiterhin in Kontakt zu sein oder auch die Dinge, die sie vor Ort umgesetzt haben, ins Digitale zu übersetzen. Und deswegen haben wir gesagt: Okay, wir wollen jetzt hier wirklich auch mit einer großen Unterstützung die Vereine dabei begleiten, Digitalisierung jetzt auch wirklich ganz konkret einzusetzen, damit es weitergeht, weil die Vereine einfach wichtige Funktionen vor Ort und insbesondere in so einer Pandemie-Situation ausgeübt haben. Also Kontakt halten zu Menschen, die vielleicht einsam sind, Kindern dabei helfen, auch in Zeiten von digitalem Lernen mithalten zu können oder eben auch für Jugendliche in Kontakt zu bleiben, irgendwie auch zu musizieren. Und dieses Förderprogramm ist so durch die Decke gegangen. Wir waren gerade mal zwei Monate alt und uns haben 10.000 Anträge erreicht. Diese Zahl zeigt einfach, wie immens der Bedarf im Bereich Unterstützung, Digitalisierung, Zivilgesellschaft, Ehrenamt ist. Wir konnten dann mit rund 20 Millionen Euro viele Organisationen unterstützen, bei weitem nicht alle. Also das Fördervolumen war ums zehnfache überzeichnet. Und da haben wir relativ viele Muster entdeckt. Wir haben gesehen, dass es in den Vereinen wahnsinniges Ausstattungsproblem gab. Das war 2020 einfach so. Jeder, der sich in einem Verein engagiert, weiß, was da für Technik teilweise in den Vereinsheimen ist. Das haben wir gesehen, aber wir haben auch gesehen, dass ganz viele Anträge gestellt wurden, wo es darum ging, digitale Kompetenzen aufzubauen. Also: Wie moderiere ich online? Wie schaffe ich es eigentlich, mein Projekt, das vor Ort analog gut funktioniert hat, auch ins Digitale zu übersetzen, ohne es zu kopieren, sondern wirklich das auch irgendwie skalierungsfähig zu machen. Und daraus haben wir dann in den Folgejahren unsere anderen Programme entwickelt, die im Bereich Digitalisierung und vor allem digitale Transformation sind.

Mareike Donath
Ein analoges Projekt in die Digitalisierung zu bringen, digital umzusetzen, hat manchmal – das nehmen wir bei Geschäftsmodellen wahr im Unternehmen, aber ich kann mir gut vorstellen, dass das bei Vereinen so ähnlich ist – plötzlich wird die Idee größer. Man nennt es ja auch skalieren. Ich kann mir gut vorstellen, dass das auch im Vereinsleben eben genau das Gleiche ist. Hast du da ein Beispiel für uns?

Katarina Peranić
Ja, da habe ich ganz viele Beispiele. Nehmen wir einfach nur mal den Bereich Veranstaltungen. Also wir kennen es alle: Wir organisieren eine Veranstaltung vor Ort, Kapazitäten und Ressourcen, insbesondere unsere finanziellen sind begrenzt. Also wir haben einen Raum, da passen 30 Leute rein. Wir haben X Euro für Catering etc. Pp. Und was wir gesehen haben in der Coronazeit und auch so durch unsere Förderung, dass viele Organisationen dann wirklich gute Formate im Digitalen umgesetzt haben und dann auf einmal wahnsinnig skaliert haben. Da ist zum Beispiel eine Konferenz, die heißt Digital Social Summit, nennen wir immer so das Gipfeltreffen der digitalen Zivilgesellschaft. Die Veranstaltung fand einmal vor Ort in Berlin statt, mit 200 Personen und im digitalen Raum, dann 2020, waren es halt 1.500. Und das bedeutet natürlich: Wow, du brauchst ganz andere Moderationskompetenzen, du musst wissen, wie du ein gutes Streaming aufsetzt, du musst deine Referentinnen, Referenten schulen, wie sie im digitalen Raum auch partizipativ ihre Themen rüberbringen können, damit die Leute nicht gelangweilt vor ihren Rechnern sitzen. Und was das Wichtigste ist, was die Veranstaltung ausmacht: Wie kommen wir eigentlich in Austausch und in Kontakt? Also wie schaffen wir es, dass es eben nicht nur Senden ist, sondern wirklich auch so ein Community-Gefühl entsteht? Und da sind dann, was wir zum Beispiel als DSEE aufgebaut haben, digitales Neustrelitz entstanden, wo man mit einem kleinen Avatar in so einer 2D-Welt – sieht so ein bisschen 90er-Jahre-mäßig aus – durch Neustrelitz laufen kann. Und dann hat man dort das Rathaus, das Workshop-Gebäude, dann hat man den Marktplatz und da wimmeln dann mehrere hundert Personen herum, können sich unterhalten, können aber eben auch was lernen und haben trotzdem irgendwie so eine Experience, als ob sie sich persönlich sehen und können vor allem auch was Digitales ausprobieren. Also da gab es relativ viele und schnell sehr, sehr kreative Dinge, die wir dann natürlich auch versuchen, so herunterzubrechen, dass es auch ein kleiner Verein beispielsweise anwenden kann. Das ist natürlich immer die Kunst. Aber Skalierung durch Digitalisierung, ja, das hat funktioniert und das ist super. Und den Weg sollten wir auch weiterhin gehen. Das unterstützen wir auch gerne.

Mareike Donath
Du sprachst vorhin von Millionen Menschen in Deutschland, die sich in Organisationen und Vereinen engagieren. Das ist wirklich beeindruckend. Und das ist ein ziemlich großer Teil der Gesellschaft. Wie digital ist dann dieser Teil der Gesellschaft, deiner Einschätzung nach unterwegs?

Katarina Peranić
Digitale Gesellschaft, das ist ein Themenfeld, wo es relativ viele Organisationen gibt in Deutschland, die sich seit vielen Jahren darum kümmern. Und zwar gibt es da eine ganz bestimmte Fragestellung: Wie können wir den digitalen Wandel und die Digitalisierung gemeinwohlorientiert nutzen und vor allem auch gestalten? Und die große Fragestellung ist dabei immer: Wie kriegen wir die Zivilgesellschaft auch an den Tisch, an dem Politik und Wirtschaft gemeinsam sitzen? Also ich bin eine große Verfechterin des gemeinsamen Wirkens und des über die Sektoren hinaus arbeitenden Gremien beispielsweise. Warum das so ist? Ich sage immer, Zivilgesellschaft ist eine Art Seismograph der Gesellschaft, weil die Organisationen, die Angebote machen im Bereich Soziales, Umwelt etc. Pp., die sind immer sehr, sehr nah an den Menschen dran. Klar, Politik ist das auch und Wirtschaft auch durch Mitarbeitende, durch Wahlkreisarbeit, aber die Zivilgesellschaft ist wirklich dort, wo eben auch schutzbedürftige Gruppen sind. Und diese Gedanken und diese Herausforderungen, Problematiken, die müssen in solchen Transformationsprozessen auch auf der politischen Ebene Gehör finden, dass wir nicht irgendwie Systeme erhalten, die beispielsweise einzelne Gruppen diskriminieren, weil sie in Datensätzen nicht vorkommen. Also das ist so ein bisschen Technik und Gesellschaft. Und was wir auch erleben, ist, dass sich viele Organisationen damit auseinandersetzen, wenn wir jetzt so auf die Tool-Ebene gehen: Wollen wir den Big Five unser Geld geben oder wollen wir Technik nutzen, Software nutzen, die eigentlich auch so ein bisschen aus der Zivilgesellschaft kommt? Stichwort: Open Source Tools. Das sind Themen, die die Zivilgesellschaft umtreiben und es ist sehr spannend zu sehen, was da passiert. Also es gibt auch viele Formen des digitalen Engagements, die vielleicht den Menschen gar nicht so bewusst sind. Beispielsweise Social-Media-Arbeit kann man super gut digital machen oder Online-Fundraising, Spenden einzusammeln für Organisation, aber eben auch, Stichwort KI, Prozesse so zu optimieren, Routinen mittels KI umsetzen zu lassen, dann am Ende des Tages mehr Zeit zu haben für sein eigentliches Engagement. Das sind relativ viele Themenfelder, die, glaube ich, identisch sind auch zu anderen Sektoren. Aber hier nochmal mein Plädoyer: Man muss gemeinsam ins Gespräch kommen, weil, wir brauchen die unterschiedlichen Perspektiven, um den digitalen Wandel zu gestalten.

Mareike Donath
Du hattest eingangs von Corona als Katalysator gesprochen. Aus deiner Sicht, was hat sich seither eigentlich verändert? Du schaust auf die Zivilgesellschaft und aus deinem Blickwinkel, Stichwort Teilhabe, wie beurteilst du den Ist-Zustand?

Katarina Peranić
Also ich glaube, das ist ein Spiegelbild der Gesellschaft, wenn wir uns irgendwie die Studien anschauen. Wir wissen, dass über 90% der Menschen online sind. Das ist nicht die Herausforderung. Wir haben gesehen, dass Corona einen richtigen Schub gegeben hat, aber wir sehen natürlich noch ganz viel Bedarf im Bereich Kompetenzentwicklung. Es gibt die Studie D21 zur digitalen Gesellschaft in Deutschland. Die ist ganz aufschlussreich, denn der digitale Wandel und insbesondere auch die Entwicklungen seit jetzt ChatGPT, solche Tools für alle zugänglich sind, offenbart doch auch, dass das Tempo, in dem wir uns Kompetenzen raufschaffen müssen, wahnsinnig zunimmt. Und die Fragestellung ist, und die stellt sich natürlich auch in der Zivilgesellschaft: Wie schaffen wir das? Wir als Stiftung geben hier als Antwort: Wir haben mehrere Programme, die dabei unterstützen, diese Kompetenzen zu erwerben, aber eben auch mit Fördermitteln eigene Fortbildung Formate für die Vereinsmitglieder umzusetzen. Da möchte ich ein Programm nennen, das heißt 100-mal digital. Das haben wir jetzt bereits viermal durchgeführt. Das heißt, 400 Organisationen haben von uns nicht nur Wissen und auch Coaching erhalten, aber auch so ein Umsetzungsbudget von 20.000 Euro, um ihre eigenen digitalen Lösungen für eine spezielle Herausforderung umsetzen zu können. Und was wir hier sehen, ist, Digitalisierung hat wahnsinnig viel mit Organisationsentwicklung zu tun. Wenn die Offenheit nicht da ist, sich auf neue Dinge einzulassen, Dinge auszuprobieren, auch mal in Kauf zu nehmen, zu scheitern, wieder aufzustehen, anzupassen, auch ein bisschen iterativ zu arbeiten, dann wird es ganz, ganz schwierig, bei diesem Tempo mitzuhalten. Das wollen wir mit diesem Programm unterstützen, dass Organisationen hier einfach eine sichere Zeit haben, um tatsächlich an einer neuen innovativen Lösung zu arbeiten. Wenn du mich fragen würdest, was sind das für Projekte, die ihr da unterstützt? Das können so ganz klassische Themen sein, wie Mitgliederverwaltung, die vorher im Zettelkasten stattfand. Also, dass man den Organisationen hilft, quasi ein CRM aufzubauen oder ein digitales Fundraising-Tool, bis hin zu total abgefahrenen Sachen. Da haben wir so Schiffsarchäologen in Mecklenburg-Vorpommern unterstützt, die normalerweise mit Kameras unter Wasser eben solche archäologischen Schätze aufnehmen und die haben das mit unserer Hilfe jetzt quasi 3D-digitalisiert, was die ganze Arbeit nochmal viel haptischer macht und natürlich auch dazu führt, dass sich andere noch mal mehr dafür interessieren und vielleicht da auch mitmachen. Also da passieren schon ganz gute Sachen, aber ich glaube, es braucht eben auch die Zeit, den Raum und auch ein bisschen den Mut und die Offenheit, solche Prozesse, sich in solche Transformationsprozesse hineinzugeben.

Mareike Donath
Mit den Kompetenzen sich aufzurüsten, einen Kulturwandel zu vollziehen. So würde ich das zusammenfassen mit all den Punkten, die du eben erwähnt hast. Wer hilft euch dabei?

Katarina Peranić
Das sind relativ viele. Wir haben als Stiftung den Ansatz, dass wir immer kooperativ arbeiten. Das heißt, wir suchen uns meistens Partnerinnen und Partner, die eine gewisse Kompetenz in dem Themenfeld haben. Und mit denen machen wir gemeinsam Projekte und setzen auch Veranstaltungen auf. Und diejenigen, die wir unterstützen, die sind irgendwann auch so stark, dass wir mit denen zusammenarbeiten. Wir schauen ganz stark auch, was passiert eigentlich in der Wirtschaft, was passiert in der IT? Was können wir dort für Formate, Methoden auch in die Zivilgesellschaft bringen? Ich habe vor mehreren Jahren dieses ganze Thema agiles Arbeiten und Scrum in Stiftungen, noch bei meiner vorherigen Stiftung, in die Zivilgesellschaft gebracht oder auch so Formate wie Barcamps. Heute nichts mehr Neues, aber als ich vor 2012 damit angefangen habe, war das irgendwie so was, so wow, hierarchiefreie Konferenzen. Jeder kann sich einbringen. Also mit so kleinen Methoden, man muss links und rechts gucken und die dann einfach adaptieren für sein Feld. Ich glaube, das ist ein Erfolgsfaktor, der ganz, ganz wichtig ist, da eben auch quasi den Kopf zu öffnen für neue Ideen und neue Verfahren und einfach auch so dieses über den Tellerrand-Schauen-zu fördern. Und dann ist es natürlich wichtig, dass man auch immer eine Peer-Group hat, mit der man sich austauschen kann.
Es ist super, wenn wir alleine irgendwo sitzen und sich was durchlesen, angucken, anhören. Aber es ist viel besser und ein ganz anderer Lerneffekt, wenn du das mit Peers machst, also mit Gleichgesinnten, die ähnliche Herausforderungen haben und die vielleicht auch Erfahrungswissen mitbringen, wie sie Dinge umgesetzt haben. Also das habe ich zumindest für mich immer als sehr hilfreich wahrgenommen. Und drittens tatsächlich einfach mit offenen Augen und viel, viel Neugier durch die Welt spazieren und einfach auch mal Dinge ausprobieren.

Mareike Donath
Ich freue mich, wenn wir zusammen über den Tellerrand schauen. Fällt dir auf Anhieb ein besonderes Projekt in Mecklenburg-Vorpommern ein, welches ihr als Stiftung unterstützt habt?

Katarina Peranić
Wir haben im sehr ländlichen Raum in Wrodow,  haben wir ein tolles Projekt unterstützt, das auch Richtung Co-Working-Space geht, was ich sehr innovativ finde, weil ich glaube, dieser Ort hat sehr wenige Einwohner und Einwohnerinnen, aber glänzt da eben auch ganz toll. Und ich weiß, dass es in Mecklenburg-Vorpommern ja auch gerade so Co-Working auf dem Land, dass es da auch Programme gab, die das unterstützt haben. Ich glaube, genau solche Orte braucht es, wo Ideen zirkulieren können, wo man einen Raum hat, Dinge auszuprobieren. Aber was es eben auch braucht, da bin ich ganz offen, ist halt auch echt finanzielle Unterstützung. Und die darf gerne auch aus der Wirtschaft kommen und nicht nur vom Staat. Und ich glaube, da können wir alle noch mal ein bisschen mehr dafür werben, dass gerade auch in ländlichen Räumen viele Innovationen entstehen können. Und dann haben wir eine Organisation unterstützt, die heißt Power On. Das sind junge Menschen, die auch im ländlichen Raum, im dörflichen Raum leben, die digitale Kompetenzen quasi in die Dorfgemeinschaft bringen. Also die älteren Menschen dabei helfen, erste Schritte im Digitalen zu gehen, Tools auszuprobieren bis hin zu strategischen Fragestellungen,  dabei unterstützen. Und das ist natürlich total toll, weil es a) die Generation zusammenbringt und am Ende des Tages auch lokal vor Ort alle einen Schritt weiterbringt, sich im digitalen Wandel nicht nur zurechtzufinden, sondern da eben auch neues auszuprobieren Was wir seit Gründung der Stiftung sehen, dass es im Bereich der Digitalisierung natürlich auch Hemmschuhe gibt. Da möchte ich eines nennen, wovon viele engagierte immer wieder Angst haben: Das sind bürokratische Herausforderungen, wie beispielsweise: Wie setze ich die DSGVO korrekterweise da unterstützen wir beispielsweise mit telefonischer Beratung oder mit unserer IT-Support-Hotline, aber auch mit Online-Seminaren. Dann gibt es natürlich die Fragestellung, jeder erinnert sich, in Coronazeiten war es auf einmal möglich, digitale Mitglieder Versammlungen online abhalten zu können. Dann gab es eine gesetzliche Veränderung und irgendwie wurden die Vereine vergessen. Da gab es eine große Unsicherheit. Da haben wir als Stiftung uns natürlich auch sehr stark dafür eingesetzt, die gemeinnützigen Organisationen damit mit aufzunehmen, was jetzt auch der Fall ist. Auch hier beraten wir, welche Fragestellung auch immer wieder auf uns einprasselt ist, welche Tools sollen wir denn nutzen? Was wir nicht machen, ist eine Toolberatung. Aber wo wir gerne dabei helfen, ist, in diesem Dschungel sich zurecht zu finden und für sich als Verein herausfinden zu können: Was brauche ich eigentlich wirklich? Weil, es geht gar nicht darum, sich die Arbeit nach einem Tool auszurichten, sondern intern erst mal in der Organisation zu wissen: Was möchte ich denn wirklich machen können? Möchte ich meine Mitglieder digital verwalten? Möchte ich die Online Spenden einwerben können? Möchte ich vielleicht meine Webseite analysieren können? Wer klickt denn auf meine Seite? Sind meine Marketing-und Werbemaßnahmen so ausgestaltet, dass ich wirklich neue Freiwillige oder Spenderinnen oder Spender finde? Und in diesen Bereichen unterstützen wir auch, und was immer hilfreich ist, sich mit anderen auszutauschen, die den Weg schon gegangen sind, da auch Ängste zu nehmen und auch Mut zu machen, dass es zwar herausfordernd ist, aber nicht unmöglich.

Mareike Donath
Hürden und Herausforderungen: Vor welchen Vereinen und Institutionen dann stehen? Welche sind das klassischerweise?

Katarina Peranić
Die größten Hürden, die wir sehen – ich will es gar nicht Hürden nennen –, sondern Dinge, die häufig fehlen, Digitalisierung in der Organisation umzusetzen, ist zum einen das Fachwissen, also wirklich ganz, ganz klassisches Wissen rund um Digitalisierung, aber auch wirklich so IT. Das zweite ist, was wir sehen, der Faktor Zeit. Es braucht auch seine Zeit, seien wir ehrlich. Das ist nicht einfach so schnell umzusetzen. Und das Dritte sind fehlende finanzielle Ressourcen. Die stehen aber ganz am Ende. Wichtig ist es für Organisationen, zu wissen, was sie denn konkret angehen möchten und das auch realistisch einschätzen zu können, ob das mit den gegebenen Möglichkeiten umsetzbar ist und wenn nicht, welchen Weg man gehen muss, sich die Unterstützung zu holen. Und da sind wir als Stiftung natürlich gerne Unterstützerin und Ansprechpartnerin.

Mareike Donath
Neben 100 Mal Digital gibt es ja auch weitere Möglichkeiten zur Förderung.

Katarina Peranić
Wir unterstützen nicht nur mit unserem Programm 100-mal digital Vereine, sondern auch mit einer sogenannten Mikroförderung, wo man bis zu 2.500 Euro beantragen kann, das ganze Jahr über. Und dort kann man eben auch sein kleines Digitalprojekt umsetzen. Ich war zum Beispiel neulich in einem Kleingartenverein, das war in Thüringen, und die haben dort ihre digitale Gartenlaube eingeweiht, die wir gefördert haben. Das war quasi die erste Vereins-Webseite, muss man sich mal vorstellen. 2023 war das. Und mit der Vereins-Webseite war das erklärte Ziel, neue Mitglieder zu gewinnen und auch zu informieren, was der Verein tut. Und das ist natürlich toll, dass wir mit so geringen Mitteln hier unterstützen können und, dass der Verein, vor allem dieser Kleingartenverein, jetzt eben auch im digitalen Raum erreichbar ist. Wir haben einen Sportverein unterstützt, der Schwierigkeiten hatte, ehrenamtliche Trainerinnen und Trainer zu finden für den Kinderfußball, was natürlich total wichtig ist, dass die Kinder vor Ort auch jemanden haben und die Möglichkeit haben, Fußball zu spielen. Die haben sich dann bei uns beworben in der Mikroförderung, haben 2.500 Euro erhalten, haben auch hier eine Webseite aufgebaut, die sich wirklich nur in der Ansprache darauf gerichtet hat, diese Trainerinnen und Trainer zu finden. Und es haben sich dann eben 16 gemeldet und das heißt, der Kinderfußball-Sport findet jetzt wieder regelmäßig statt. Das ist natürlich eine sehr schöne Geschichte, die einfach die Wirkung ganz konkret zeigt.

Mareike Donath
Das ist ja auch nachhaltig. Die Kompetenzen und Erfahrungswerte nehmen die Vereine ja auch mit.

Katarina Peranić
Definitiv. Nachhaltigkeit spielt immer eine große Rolle, gerade im Engagement. Man macht das ja nicht einfach nur so, sondern man möchte ja eine so genannte Wirkung erzielen. Man möchte etwas verändern, etwas in der Gesellschaft zum Positiven wenden. Und da spielt natürlich die Nachhaltigkeit und die Langfristigkeit eine riesengroße Rolle.

Mareike Donath
Neben 100- mal digital und der Mikroförderung habt ihr noch ein längerfristiges Programm an den Start gebracht. Welches ist das?

Katarina Peranić
Wir haben seit letztem Jahr ein großes Programm, das heißt TransformD, wo wir auch in drei Transformationsfeldern unterstützen mit der Idee, dass das die Zivilgesellschaft eben nicht nur auf Krisen reagiert, sondern im Vorfeld schon so Transformationen gestalten kann. Und da fördern wir im Bereich gemeinwohlorientierte Digitalisierung, Klimawandel und gesellschaftlicher Zusammenhalt. Und drumherum gibt es dann, also nicht so eine große wie die NØRD, aber einen großen Summit, Boost Camps, weil wir haben so unsere Angebote wie so eine Kette gebaut. Wir haben die Mikroförderungen für die ganz kleinen Projekte, wir haben 100-mal digital, wo es dann wirklich schon so viel konkreter wird, was die digitalen Herausforderungen angeht und die Lösungen. Und dann haben wir am oberen Ende Transform. De, wo wir eben über anderthalb Jahre sehr abgefahrene Projekte unterstützen, wie beispielsweise eine Organisation, die sitzt allerdings in München. Das sind ehrenamtliche KI-Expertinnen und -Experten, die beispielsweise mittels Satellitendatenauswertungen Müllteppiche in den Ozean bestimmen können und somit rückmelden können, wann so was an Land trifft. Und die haben total irre Ideen und die machen das alles ehrenamtlich und freiwillig. Und das ist eben auch Zivilgesellschaft. Also wir haben den kleinen Sportverein vor Ort, auf dem Dorf, der wahnsinnig wichtige Arbeit macht, indem man beispielsweise Kinder zusammenbringt im Sport, bis hin zu Organisationen, die es geschafft haben, irgendwie krasse IT-Expertinnen und -Experten ins Engagement zu bringen, große globale Probleme der Welt zu betrachten und mittels digitalen Lösungen dazu beizutragen, dass sich da was verändert. Also es ist wahnsinnig vielfältig.

Mareike Donath
Das ist ein ganz großes Fund, diese Vielfältigkeit und Unterschiedlichkeiten, sei es in Wirtschaft, Verwaltung, Forschung oder eben auch in Zivilgesellschaft. Das voneinander lernen, über den Tellerrand schauen. Dazu wollen wir natürlich auch auf der NØRD mit der Zivilgesellschaft in Kontakt kommen und Vereine und Organisationen dazu einladen. Katharina, aus deiner Perspektive: Lohnt es sich denn auch für Ehrenamtler, zur Nord zu kommen?

Katarina Peranić
Ich würde jedem Engagierten empfehlen, zur NØRD zu kommen, sich a) zu informieren, welche Möglichkeiten Digitalisierung anbietet, aber vor allem ins Gespräch zu kommen mit ganz unterschiedlichen Menschen aus der Wirtschaft, aus der Politik, aus dem Land, gemeinsam zu überlegen, wo man gemeinsam wirken kann.

Mareike Donath
Ich finde, das ist auch sehr gewinnbringend für die anderen Seiten, auch für Wirtschaft, Politik und Verwaltung, denn alle profitieren ja auch von den Erfahrungen der Zivilgesellschaft, die im Bereich des digitalen Wandels gemacht werden.

Katarina Peranić
Genau. Und nicht nur das: Stell dir vor, du baust irgendwo ein neues Unternehmen und dann willst du einen Mitarbeiter an den Ort holen. Wenn es da kein schönes Angebot gibt, wie Sport oder Chor oder what ever, wo die Leute, die neu hinzuziehen, andere Leute kennenlernen können, dann ist das nicht so attraktiv. Deswegen hat Zivilgesellschaft auch eine wahnsinnig wichtige Rolle.

Mareike Donath
Das führt mich zu anderen Fragen: Werte schaffen- Ja, sozusagen trotz Digitalisierung. Ich kann eine Gesellschaft positiv gestalten. Darum geht es ja, was uns antreibt, auch im Ehrenamt. Da ist Digitalisierung ja ein unheimlich gutes Werkzeug, das zu erreichen. Mag aber auch im Umkehrschluss eine Gefahr sein, Fake News und so weiter, die Leute auch wieder auseinander zu treiben. Wie kann jetzt Digitalisierung dabei helfen, Demokratiefragen, Teilhabe, alles, was reinspielt, die Welt ein Stückchen besser zu machen?

Katarina Peranić
Eine digitale Infrastruktur, ein Tool, sagt ja nicht, wie wir als Menschen miteinander umzugehen haben. Es ist ja genauso, wie wenn wir uns analog vor Ort treffen. Deswegen ist es so wichtig, Austauschräume zu haben, wie Vereine beispielsweise, wo man in einem geschützten Raum mit unterschiedlichen Perspektiven Themen diskutieren kann, wo man gemeinsam festlegen kann, nach welchen Werten wollen wir hier eigentlich zusammenarbeiten, uns engagieren. Und all das eben auch im digitalen Raum stattfinden zu lassen, was auch schon ganz stark so ist. Also es gibt so viele Organisationen, die sich rund das Thema „Hate Speech engagieren. Da gibt es zum Beispiel Hate Aid, die kennt ihr mit Sicherheit, die das Thema auch politisch total nach vorne gebracht haben. Wir haben im Bereich der Zivilgesellschaft ganz viele Organisation die dazu beitragen, Kinder und Jugendliche an IT-und Digitalthemen heranzuführen, wie beispielsweise die Hacker School, die pro Jahr tausende von Kindern zusammen mit IT-Profis zusammenbringt. Wir haben die Ready School, die beispielsweise geflüchtete Menschen in IT-Jobs bringt, indem sie sie weiterbildet und qualifiziert. Da passiert schon relativ viel in der Zivilgesellschaft. Schön wäre es, meiner Meinung nach, wenn das mehr skalieren würde und bekannter werden würde. Und ich glaube, dafür wäre es auch ganz cool, wenn Leute und Organisationen auch zu NØRD kommen würden. Das ist halt so: Mehrere Ebenen.

Mareike Donath
Vielen Dank, Katarina. Aber bevor wir jetzt zum Ende kommen, hast du noch eine Botschaft oder eine Mission für unsere Hörerinnen und Hörer?

Katarina Peranić
Wenn ihr Lust habt, euch zu engagieren, aber noch Hürden seht, meldet euch gerne bei uns. Wir unterstützen euch.

Mareike Donath
Liebe Katarina, vielen, vielen Dank- und alle Infos zur Ehrenamtsstiftung natürlich in den Shownotes. Dort finden Sie, liebe Hörerinnen und Hörer, natürlich auch alle Informationen zur NØRD 2024. Ja und damit sind wir schon am Ende der heutigen Podcast-Folge angelangt. Vielen Dank fürs Zuhören und ich freue mich natürlich, wenn wir uns auf der NØRD 2024 sehen. 29. bis 30. Mai, HanseMesse, Rostock. Herzlichst, Ihre Mareike Donath.