Mareike Donath:
Herzlich willkommen hier beim Podcast von „digitales MV”. Jonas, du bist, wenn ich das mal so sagen darf, für mich immer ein Protagonist der ersten Stunde. Wir haben ja ungefähr in 2018 angefangen, die Marke zu entwickeln. Die Innovationszentren vor Ort zu entwickeln, die Community zu bilden. Und du warst Protagonist der ersten Stunde, wenn man das mal so sagen kann. Woran erinnerst du dich, wenn du auf das Jahr 2019 blickst?
Jonas Flint:
Also hallo erst mal. Schön, dass ich hier sein darf. Ist für mich auch eine große Ehre. Oh Gott, 2018, 2019 ist schon lange her. Ich weiß noch, dass wir irgendwann mal gemeinsam in Stettin waren. Ich weiß aber nicht, ob das 18 oder 19 war. Das war für mich so die erste Delegationsreise, und die war so cool, die war so beeindruckend. Und es hat auch ultra Spaß gemacht, auch alle anderen Akteure so kennenzulernen. Und es war sehr motivierend, diesen neuen Geist hier im Bundesland quasi einzuhauchen.
Mareike Donath:
Das stimmt. Wir haben uns mit Start-ups aus Mecklenburg-Vorpommern zusammen mit Start-ups aus Polen, oder aus Stettin haben so einen Workshop zusammen gemacht. Das war tatsächlich sehr spannend und da kommen wir auch schon zu dem Thema. Du giltst ja auch bei der Start-up-Szene als einer der Vertreter. Wie wird man ein Start-up, Jonas?
Jonas Flint:
Coole Frage! Wie wird man Start-up? Indem man eine verrückte Idee hat und mutig oder verrückt genug ist, die zu starten und einfach anfängt, Gas gibt, weitermacht. Und ich glaube, wichtig ist, dass man einfach Lust hat und darauf brennt, seine Idee, seine Lösung umzusetzen und die Welt zu verbessern. Und dann kommt von außen irgendwann die Bezeichnung Start-up, jedenfalls bei den meisten. Und ich glaube, für einen selber fühlt sich das nicht so an, weil man will ja nur sein Produkt bauen oder seine Lösung bauen. So ging es uns jedenfalls.
Mareike Donath:
Der Weg begann ein bisschen früher. Studiert an der Universität Rostock, erinnere ich mich. Hast auch dort promoviert, nebenbei ganz viel ehrenamtlich aufs Gleis gesetzt. Erzähl gern drüber.
Jonas Flint:
Ich habe das schon immer gemacht, dass ich nebenbei, also nebenbei mal ganz viel Ehrenamt, irgendwo mich engagiert habe. Schon in der Schule habe ich, ich glaube auch mit 14 oder 15, angefangen ehrenamtlich das Netzwerk der Schule zu verwalten. Das waren so 100 Rechner. Und dann ist mein Lebenslauf eigentlich relativ langweilig. Also schon Informatik Leistungskurs, dann irgendwie im Ehrenamt, dann Informatik studiert, dann promoviert und hab aber immer auch geguckt irgendwie, was kann ich nebenbei aufbauen, wie kann ich Communitys unterstützen?
Wir haben auch irgendwann unsere eigene Community quasi aufgebaut, uns unser eigenes Event um tech-Interessierte oder Softwareentwickler in Mecklenburg-Vorpommern zusammenzubringen und dann auch gegründet. Es überschneidet sich vieles. Also, ich glaube 2016 haben wir dann wirklich die GmbH gegründet. Angefangen haben wir schon ein Jahr vorher und ungefähr zeitgleich oder ein Jahr später haben wir auch angefangen so ein Event aufzubauen, wo wir gesagt haben, wir wollen mal alle aus dem Land zusammenbringen, die sich irgendwie mit Softwareentwicklung rumtummeln.
Mareike Donath:
Dennoch ich glaube, nicht jeder Schüler kommt auf die Idee, 130 Rechner miteinander zu verkuppeln. Also wie kommst du dazu? Wie kamst du dazu? Was hat dich da bewegt, beflügelt?
Jonas Flint:
Das fing eigentlich ganz lustig an. Wir hatten damals noch ich glaube Windows XP. Da gab es ein Kommando, was man ausführen konnte, auch ohne Administratoren-Rechte. Und wie alt waren wir da? 13, 14. Und Mitschüler und ich haben herausgefunden, wie wir damit an jeden Rechner in dem Netzwerk eine Nachricht schicken können. Und das haben wir einfach angefangen, haben wir ausprobiert und dann an alle so Nachrichten geschickt und auch irgendwann an alle gleichzeitig.
Und ja, dann kamen irgendwann die Administratoren auf uns zu. Das waren auch Schüler, aber ich glaube, die waren dann 13. oder 12. Klasse oder so und da stand natürlich auch der Ursprung von dem Computer, wo diese Nachricht herkam, an dem saßen wir gerade. Da hatten wir nicht so drüber nachgedacht, aber wir hatten viel Spaß beim herumprobieren. Und dann haben die gesagt: „Oh, ihr beiden, ihr kommt jetzt mal mit.”
Und dann dachten wir „Oh, jetzt gibt's richtig Ärger.” Und die fanden das aber eigentlich cool. Und die haben uns dann gefragt, ob wir uns nicht vorstellen können, das ein bisschen mehr auszuweiten und nicht nur Nachrichten an die Rechner zu schicken, sondern auch die zu verwalten. Und ja, so kam es, dass ich nachher glaube ich auch teilweise in der Schule geschlafen in den Sommerferien, um alle Rechner vorzubereiten und das hat einfach ganz viel Spaß gemacht. Und ich habe, ohne jedem Lehrer nahe zu treten, aber in der Zeit einfach so viel mehr gelernt, als in dem Informatikunterricht, der auch gut war, aber es hat einfach so viel Spaß gemacht.
Mareike Donath:
Um auch so ein bisschen die Werbetrommel für die Universität Rostock zu rühren. Ist ja ein ganz toller Informatik-Lehrstuhl. Was hat dich da am meisten begeistert?
Jonas Flint:
Oh, es sind ganz viele Sachen, die ich eigentlich cool fand. Ich glaube, dass das, was am besten funktioniert hat, ist, dass man vor allem nachher in den höheren Semestern sehr direkten Zugang und Umgang mit den Hochschullehrern, Professoren und wissenschaftlichen Mitarbeitern hat. Man geht nicht in so einer anonymen Masse unter, sondern man hat sehr direkten Kontakt. Man tauscht sich mit denen aus, man kann sich nachher im Endeffekt,
so war das zu meiner Zeit. Ich weiß nicht, ob es wirklich noch genauso ist, ich glaube aber schon. Man kann sich nachher auch dann aussuchen, bei wem möchte ich eigentlich meine Abschlussarbeit schreiben. Wir betreuen auch manchmal jetzt mit der Firma Studierende aus anderen Fachrichtungen, anderen Fakultäten. Da ist es meist anders, da wird das so zugelost. Und in der Informatik ist es eigentlich so ein kleiner Haufen, dass man sich aussuchen kann, mit wem möchte ich gern zusammenarbeiten. Also beiderseitig, dass beide Parteien sagen, wir haben Lust auf eine Abschlussarbeit und wenn dann die Motivation hoch ist, dann wird das Ergebnis auch gut sein und dann kann man noch viel lernen.
Mareike Donath:
Wir springen jetzt ein bisschen weiter in der Zeit. Was machst du heute? Du bist Unternehmer, bist du, du bist auch ein Start-up. So kann man das sagen?
Jonas Flint:
Ja, das würde ich noch so sagen.
Mareike Donath:
Worum kümmerst du dich?
Jonas Flint:
Was mache ich heute? Wir haben mittlerweile nicht nur eine Firma. Wir haben zwei Firmen. Eine davon ist auch noch ganz klassisch Start-up, wir haben quasi ein Start-up im Start-up gegründet. Aber die erste, die erste Firma, das erste Start-up ist in dem Sinne eigentlich kein Start-up mehr. Es hat ein profitables Geschäftsfeld, es trägt sich. Es ist ja skalierbar. Es ist älter als fünf Jahre.
Das würde ich mal so ein bisschen ausklammern. Aber was machen wir da? Wir helfen, anderen Software zu entwickeln. Und unter anderem bieten wir anderen eine Unterstützung an, einfach mit dieser ganzen KI-Welt quasi zurecht zukommen. Rauszufinden, wie kann ich meine Mitarbeiter befähigen, wie kann ich die nicht nur effizienter machen, sondern auch ein bisschen Spaß dabei bringen, diese ganzen KI-Werkzeuge auszuprobieren, sich weiterzuentwickeln und dann aber auch zu gucken, wie kann ich bestimmte Abläufe mit KI-Tools vereinfachen, automatisieren, so dass der Mitarbeiter immer noch die Entscheidung trifft, aber dass ganz viele Vorarbeit ja eine KI übernehmen kann oder unterstützen kann.
Mareike Donath:
Wir bleiben noch mal kurz bei dem Unternehmen, weil über KI-Tools, jeder redet heutzutage davon. Welche KI-Tools sind das, die heute schon, wo ihr heute schon helfen könnt, diese beim Unternehmen an den Mann zu bringen?
Jonas Flint:
Also hauptsächlich ist natürlich wenn ich von KI jetzt rede ist es fast immer diese GPT-Familie. Also das sind ChatGPT, Gemini, Copilot, die KI-Tools, die wir so in unserem täglichen Gebrauch oder viele mittlerweile auch anwenden, in dem wir quasi mit Sprache interagieren. Es gibt aber auch ganz viele andere Tools. Also ich glaube, der CEO von Amazon hat glaube ich letzte Woche ein Rundschreiben an alle Mitarbeiter geschickt und ich glaube es sind über 100.000, wo er berichtet, dass die schon über 1000 KI-Anwendungen einsetzen, in jedem Bereich.
Und ich glaube das das ist nicht die Zukunft, das ist schon die Gegenwart. Das wird jeden hier bei uns treffen. Dass wir Anwendungen nutzen, wo KI drinsteckt. Man wird irgendwann nicht mehr darum herumkommen. Wir haben zum Glück ja auch einen AI Act, der vorschreibt, dass das gekennzeichnet ist. Das ist was Gutes, was sehr gutes, was die EU dort gemacht hat.
Und wir unterstützen, einfach herauszufinden, wie kannst du damit umgehen? Wie kannst du deine Arbeit einfacher machen, aber auch ein bisschen auch Bedenken abzubauen? „Hey, dein Arbeitsplatz wird dadurch nicht ersetzt. Du bist ja da, um Entscheidungen zu treffen und nicht da, um einfach Texte zu kürzen oder zusammenzufassen, sondern Entscheidungen auf Grundlage von Daten und Texten zu treffen.”
Mareike Donath:
Was sind die größten Bedenken der Unternehmen, wenn du auf sie triffst?
Jonas Flint:
Das Allergrößte ist meistens Datenschutz. Das ist zum Glück im AI Act von der Europäischen Union gut geregelt, weil sie einfach sagen: „Wir haben schon eine Datenschutzregelung, die greift auch hier für KI-Gesetze oder für KI-Anwendungen.” Das lässt sich meist relativ einfach lösen, indem man entweder sagt, man greift auf KI-Tools innerhalb der eigenen bisherigen Anwendung zu. Also wer zum Beispiel auf Microsoftprodukte setzt, hat meistens irgendwie schon mal einen Vertrag irgendwie gehabt oder eine AGB bestätigt, dass er in diesem Ökosystem unterwegs sein möchte und dann kann er auch Copilot relativ bedenkenlos anwenden.
Bei ChatGPT sieht das anders aus. Das ist auch Teil unserer Trainings und Weiterbildung zu gucken. Naja, ChatGPT hilft dir, aber ich würde da niemals personenbezogene Daten hochladen. Das würde ich aber nicht machen. Also nicht im Firmen-Kontext, weil ich nicht weiß, was damit passiert. Und da gibt es auch unterschiedliche Tools. Das sind jetzt nur die beiden großen und wir helfen einfach die richtige Entscheidung zu treffen.
Mareike Donath:
Mit dem AI Act wird ja viel diskutiert, warum, was der so positives bringt, was aber auch negativ dort dargestellt wird. Für euch als Unternehmen: Was genau sich darin tummelt, was beschreibst du als positiv? Was ist der größte Mehrwert des Acts?
Jonas Flint:
Dass er Regeln aufstellt und dass die von Anfang an klar sind. Das ist natürlich an manchen Stellen auch relativ schwammig gehalten, was aber auch nicht verkehrt ist, weil sie ja auch nicht zu stark regulieren wollten. Sie wollten ja schon auch in der Zukunft das so bauen, dass es ein Grundgerüst oder Leitplanken gibt. Was ich extrem gut finde, ist diese Kennzeichnungspflicht und die unterschiedlichen Klassen.
Also ich habe das ja jetzt sehr stark verallgemeinert. Es gibt natürlich Sektoren oder Bereiche, Gesundheitswesen, da würde ich jetzt auch einen Copilot auf keinen Fall empfehlen, eine Patientenakte hochzuladen, sondern das nur in Tools machen, die dafür zugelassen sind. Das ist auch Teil unserer Weiterbildung, da zu schulen und ein, ich sage mal Gefühl zu entwickeln, oder auch wirklich einfach mal sich eine Struktur zu bauen, zu entscheiden, welche KI-Tools kann ich anwenden und welche kann ich nicht anwenden. Und dann die Mitarbeiter mitzunehmen.
Mareike Donath:
Jonas, wenn ich so höre, das ist eine Metapher wie beim Pedelec. Ja, sozusagen. Keiner setzt sich auf das Fahrrad und fährt sofort los. Es ist immer hilfreich, sich damit erst mal auseinander zu setzen. Die ersten Schritte oder die ersten Fahrversuche zu machen, um sich da ganz langsam an die Geschwindigkeiten heranzutasten. So ungefähr mit KI müsste eigentlich jedes Unternehmen, was sich damit beschäftigt, kann ich mir vorstellen. Muss man sich ja auch damit auseinandersetzen, welche Kurse, welche Kompetenzen, was braucht man davon? Seid ihr so ein bisschen Transformator?
Jonas Flint:
Ja, lustigerweise gibt es dafür auch eine Gesetzesgrundlage. Also wer seinen Mitarbeitern KI-Tools in die Hand gibt, der muss eigentlich auch regelmäßige KI Schulungen durchführen. Ich weiß nicht, ob das die meisten schon auf dem Schirm haben. Das ist noch nicht so lange in Kraft getreten das Gesetz. Wir sehen uns jetzt auch nicht als diejenigen, die für diese Umsetzung des Gesetzes stehen, sondern wir machen das eigentlich aus dem anderen Interesse heraus.
Wir glauben einfach daran, dass jeder Mitarbeiter jetzt sich damit beschäftigen muss. Wir haben so ein bisschen den Excel-Moment. Meine Mutter hat vor 15 Jahren gesagt, sie braucht kein Excel, sie kann das noch per Hand machen. Und dann hat ihr Arbeitgeber aber irgendwann gesagt, na ja, aber die ganzen Reports jetzt, die werden also fünf Jahre später, die müssen jetzt in Excel gemacht werden und dann hat sie das immer noch per Hand gemacht.
Und dann, fünf Jahre weiter haben sie gesagt, wir akzeptieren keine handgeschriebenen Reports mehr einmal im Jahr. Ja und dreimal darfst du jetzt raten, wen dann meine Mutter angerufen hat und gefragt hat: „Oh, kannst du mir mal bitte Excel erklären.”
Mareike Donath:
Ich komme nicht drauf, Jonas. Ich komm nicht drauf.
Jonas Flint:
Und ich hab das natürlich auch gerne gemacht und sie kann das jetzt auch alleine machen. Also liebe Mama, wenn du zuhörst, das machst du gut. Und diesen Moment haben wir jetzt mit diesen KI-Tools. Und wer sich jetzt nicht damit beschäftigt, der verpasst einfach in den nächsten fünf Jahren, wie die Welt dann sein wird. Das wird eigentlich völlig normal sein, dass überall KI drinsteckt und wir lernen müssen, damit umzugehen und die zu steuern, um dann Entscheidungen zu treffen.
Mareike Donath:
Welche Kompetenzen braucht denn heute ein Mitarbeiter, eine Mitarbeiterin, um sich mit dem Thema KI auseinandersetzen zu können?
Jonas Flint:
Starke Frage. Das fragen wir uns auch oft, weil wir kommen immer nur auf eine Antwort. Es braucht eigentlich die Offenheit und Neugier, damit umgehen zu wollen. Das klingt jetzt ein bisschen zu weich, aber im Endeffekt ist es so, dass wir immer wieder Tools in der digitalen Welt bekommen, die dann da sind. Zum Beispiel in meiner Schulzeit hieß es noch: „Du wirst niemals immer einen Taschenrechner in der Hand haben.“
Den habe ich aber jetzt. Ich habe immer meinen Taschenrechner mit dabei. Ich kann integral hoch und runter rechnen wie ich will oder einfach Addition, Multiplikation. Und diese KI-Tools, die sind da, die gehen nicht weg, die kriegen wir jetzt auch nicht weg. Das ist auch gut, weil sie auch einen Vorteil haben. Sie haben auch Gefahren, sie haben auch Limits.
Deswegen glaube ich eher, es ist man braucht eine Aufgeschlossenheit und man muss Lust haben, sich damit zu beschäftigen. Es gibt ja auch diesen Begriff der Digital Natives, der ist ja wissenschaftlich widerlegt. Alter hat keinen Einfluss darauf, ob ich mit digitalen Tools gut klarkomme oder nicht. Deswegen ist es eigentlich egal, wie alt man ist und müsste nur die oder sollte nur die Offenheit haben, sich mit digitalen Tools zu beschäftigen.
Und dann hängt es natürlich auch am Tool. Es gibt auch Tools, die sind nicht gut gemacht. Davon gibt es immer weniger. Die meisten sind schon so gemacht, dass wir als Anwender das meistens einfach haben.
Mareike Donath:
Ihr habt noch ein anderes Unternehmen, da geht es ja um den Bereich KI in der Gesundheitswirtschaft, wenn man das mal so allgemein thematisch einsortieren möchte. Erzähle gern darüber was. Was treibt ihr da?
Jonas Flint:
Das ist ganz ursprünglich mal ohne KI entstanden, einfach indem eine Intensivstation mal auf uns zukam und gesagt hat: „Hey, wir haben hier eine relativ hohe Fluktuation. Wir erklären immer wieder die gleichen Sachen. Könnt ihr nicht uns eine App bauen, damit wir die gleichen Sachen nicht immer wieder erzählen?” Das ist schon ein bisschen her, das war vor Covid. Und dann hatten wir ein sehr, sehr cooles Setting, sehr coolen Professor, der gesagt hat: „Hier, jetzt fangt mal an, macht das mal!” Und wir haben uns dann sechs Monate lang alle zwei Wochen auf der Intensivstation getroffen und einfach immer wieder unseren Fortschritt den Pflegekräften in die Hand gegeben. Dann haben wir auch wieder den Schmerz erfahren, wenn sie sagen: „Das ist aber nicht gut und das müsste besser sein.”
Und das war aber ein ganz, ganz wichtiger Prozess. Ganz viele Gänsehautmomente hatten wir auf so einer Intensivstation, weil das ist einfach eine ganz tolle Station. Also, die gehen auch ganz toll miteinander um und es sind ja auch manchmal schwierige Themen dahinter. Und dann konnten wir quasi den Care Kompass entwickeln, der Pflegekräften einfach dabei hilft, sehr schnell zu verstehen, wie funktioniert diese Station.
Und das ist ein extremer Vorteil in der Einarbeitung von Pflegekräften. Es gibt heutzutage viele ausländische Pflegekräfte, Azubis, Vertretungen, Honorarkräfte oder auch Springerpools. Das heißt, Pflegekräfte können sich, ich sage mal, per Tag oder pro Tag entscheiden, auf welcher Station möchte ich jetzt starten? Ganz so einfach ist es nicht. Aber wir haben denen eine Lösung gebaut, dass sie super schnell verstehen können, wie funktioniert diese Station?
Und um jetzt den Bogen zu spannen zur KI. Für viele Pflegekräfte ist es eine große Herausforderung, diese Leitlinien, es gibt so sehr viele Leitlinien, wie Pflege zu funktionieren hat oder wie sollte, die zu verstehen. Das sind, die heißen S3-Leitlinien und S2K-Leitlinien. Das sind Hunderte von Leitlinien mit jeweils Hunderten von PDF-Seiten. Keine Pflegekraft, kein Mensch kann das alles auswendig und wir entwickeln zusammen mit Pflegekräften dort eine Lösung.
Dass eine KI das erkennt, Antworten geben kann und auch gucken kann: „Wie ist das bei dir im Haus? Wie matcht das mit den Leitlinien? Was musst du beachten?” Und das ist einfach ein riesen Pain für Pflegekräfte, den wir an der Stelle mit KI lösen wollen.
Mareike Donath:
Wenn ich an die vielen, vielen Hausmitteilungen denke und des Hauses alleine, da könnte man doch sicherlich auch eine Vereinfachung schaffen, oder? Zu sagen, ja ich bin jetzt hier Anfänger, ich habe das Wissen ja nicht, was all die Jahre ja andere Bedienstete schon mit sich, kontinuierlich erlernen konnten oder aufnehmen konnten. So, du fängst jetzt hier an und sagst, so was muss ich jetzt wissen? Wo ist jetzt die Wissensdatenbank? Das könnte doch auch eine spannende Lösung sein, oder?
Jonas Flint:
Auf jeden Fall, weil es im Prinzip die Herausforderung ist ja die gleiche. Ich bin irgendwo neu. Wir waren alle schon mal irgendwie neu. Dann ist die Hemmschwelle erst mal da, jemanden zu fragen. Übrigens, das wollen wir nicht ersetzen. Wir finden das gut. Also Menschen brauchen Menschen, sowohl in der Pflege als auch in der Einarbeitung das wollen nicht ersetzen. Aber wir wollen das bisschen vereinfachen, dass man sich ein bisschen vorbereiten kann.
Und das können Systeme oder vor allem jetzt auch diese „Large Language Tools”, das können die deutlich schneller und besser als Menschen. Die haben auch Grenzen, sie machen auch Fehler. Das ist auch wichtig, dass man das versteht. Aber sie können auch in Zukunft besser auch einschätzen, in welchem Status befindest du dich gerade? Welche der neuen Informationen sind für dich jetzt gerade vielleicht wichtig?
Du bist jetzt irgendwie schon zwei Monate da und eine KI, zum Beispiel ein Agent, begleitet dich in der Einarbeitung, in der Phase des Neuseins und sagt dir: „Pass mal auf, heute solltest du dir auch das und das noch mal anschauen.“ Oder: „Wenn du folgenden Prozess machen möchtest, dann beachte dies und dies und dies.”
Mareike Donath:
Kommen denn solche Diskussionen? Werde ich jetzt wegrationalisiert oder ist der erste Gedanke: Was für eine Erleichterung.
Jonas Flint:
In der Pflege fragt niemand, ob er wegrationalisiert wird. Weil die Arbeit am Patienten und am Bett einfach auch für sehr lange Zeit noch von Menschen gemacht wird, was auch gut ist. Also ich sage ja, Menschen brauchen Menschen. Die anderen Themen, also ich glaube, die Zahl schwankt. 30 bis 40 % der Arbeit an der Pflegekraft sind Bürokratie. Also ich muss irgendwas ausfüllen und an den Teil wollen wir ran.
Alles das, wo es um Dokumente geht. Wir wollen nicht an die Patientendaten ran, sondern eher an den, das ist ein bisschen kleinerer Teil, aber der ich sage mal langweiligste Teil. Also niemand hat Lust, sich durch hunderte Seiten von Leitlinien durchzuackern. Also da fragt keiner, werde ich jetzt wegrationalisiert? Wir machen diese Trainings ja, aber auch mit anderen Sektoren oder anderen Geschäftsbereichen.
Da kommt die Frage als allererstes. Nicht jeder traut sie zu stellen, aber mein Gefühl ist, dass locker 50 % der Menschen diese Frage stellen. Und das kann man aber stand heute sehr schnell verneinen, weil wir haben ja Menschen eingestellt, um Entscheidungen zu treffen und nicht um Texte durchzulesen und die zu zusammenzufassen.
Mareike Donath:
Dann würde ich ein Fazit ziehen: Immer, wenn es um wissensbasierte Entscheidungen geht, wo viel Wissen erforderlich ist, dann KI zu haben, um möglichst schnell treffsichere und gute Entscheidungen zu treffen, kann das unheimlich hilfreich in Wirklichkeit sein, ja?
Jonas Flint:
Ja, und was häufig in der Debatte vergessen wird mit den ganzen KI-Tools: Das eine ist das Wissen, wo es irgendwo aufgeschrieben ist, auch bei den Leitlinien. Das sind wissenschaftliche Beiträge, die teilweise über einen Zeitraum von zehn Jahren wissenschaftliche Erkenntnisse zusammenfassen. Das ist geschrieben von Wissenschaftlern. Was aber viel wichtiger auch in der täglichen Arbeit ist, Erfahrungswissen. Eine Pflegekraft mit zehn Jahren Erfahrung hat einfach mehr Wissen, als in irgendeiner Leitlinie drinsteht, auch wenn die wichtig und gut ist. Aber so eine Pflegekraft hat einfach in den zehn Jahren so viel erlebt, die weiß einfach noch ein paar Sachen mehr. Und das geht auch nicht so einfach weg.
Mareike Donath:
Wie kriegt man, vielleicht auch eine spannende Frage, wie kriegt man dieses praktische Wissen, diese Lebenserfahrung, merken wir auch, man hat Prozesse, dann hat man Lernkurven. Kann man da KI nicht auch wunderbar einsetzen, um das Erfahrungswissen gut zusammenzufassen und nützlich oder zugänglich zu machen für alle, die danach kommen? Ja?
Jonas Flint:
Jetzt wird's ein bisschen philosophisch oder wir gucken bisschen in die Zukunft. Das Technikerherz in mir schreit sofort: Ja, auf jeden Fall! Es gab ja vor kurzem den, wie hieß der denn, den AI Pin, Humane Pin? Das ist so ein so ein kleines Ding, das konnte man sich so in die Jacke stecken, da war eine Kamera und Mikrofon drin, das hat einfach alles aufgenommen, was man so erlebt hat. Ist grandios gescheitert, wurde von OpenAI gekauft.
Wahrscheinlich machen sie ein eigenes Produkt in ein paar Jahren daraus. Das könnte quasi die ganze Zeit alles aufnehmen und die Erfahrung, die ich so erlebe, auch mit aufnehmen und daraus lernen. Als Techniker sage ich: „Wow, was für eine coole Lösung hätte ich gerne!” Das andere Herz in mir fragt: „Will ich das denn? Und brauche ich das jetzt schon?”
Wahrscheinlich geht die Zukunft irgendwann mal dorthin. Wir haben vielleicht irgendwann eine Brille auf mit der Kamera und Mikrofon. Das nimmt das alles auf. Aber gerade die Erfahrungen machen das Leben ja so lebenswert. Also, will ich denn das irgendwann später durch eine KI oder Roboter ersetzt haben? Stand heute sage ich: „Nö, das sind ja meine Erfahrungen, die mich zu dem gemacht haben, was ich bin und die möchte ich gerne auch auch weiterhin machen.” Vielleicht wird's irgendwann einen coolen Mix geben daraus. Aber das jetzt ein bisschen philosophisch ist jetzt nichts, wo ich glaube, dass wir unmittelbar eine technische Lösung haben werden.
Mareike Donath:
Jonas Du bist gebürtiger Mecklenburger, du kommst aus Rostock. Jonas Flint: Ja. Mareike Donath: Mecklenburg-Vorpommern – Zukunftsland, Fragezeichen, für dich?
Jonas Flint:
Auf jeden Fall! Wir haben das hier in der Hand, das mitzugestalten. Wir alle, ne. Und unser Bundesland hat ganz viele Stärken. Wir haben auch ganz viele Schwächen, wie alle Bundesländer. Das ist jetzt auch nichts Besonderes. Und was ich jetzt die letzten fast zehn Jahre erlebt habe, ist, dass wir einen riesigen Vorteil allen anderen Gegenüber haben. Und das sind die ganz kurzen Wege.
Das klingt jetzt immer so ein bisschen abgedroschen, aber wenn man sich mal anschaut, wo war ich 2018? Ich habe irgendwie was gegründet, ich hatte keine Ahnung vom Gründen. Ich war wirklich nur ein Informatiker und ihr habt uns mitgenommen, ihr habt uns integriert, uns immer wieder gefördert und ja, auch immer nah am Minister. Und das ist etwas, was ich glaube, was in vielen Bundesländern so nicht existiert.
Und das heißt, ihr hört ja auch zu. Ihr gibt uns den Raum, das mitzugestalten und seid auch flexibel darin, zu gucken, wo wollen wir hin, wie können wir das Land besser machen. Und das ist, glaube ich, diese Mentalität, das zeichnet uns aus, warum wir ein Zukunftsland sein werden. Was ich mir manchmal wünschen würde, ist, dass nicht nur wir das so in der digitalen Sphäre haben, sondern dass das in allen anderen Bereichen auch ausstrahlt, dass wir manchmal auch schneller pragmatische Entscheidungen treffen. Vielleicht kommen wir da ja mal in Zukunft hin.
Mareike Donath:
Und du bist ein Teil davon. Jonas, schönen Dank, dass du hier gewesen bist beim Podcast von „digitales MV”. Herzlichen Dank!
Jonas Flint:
Ganz lieben Dank! Es hat sehr viel Spaß gemacht.