Mareike Donath:
Manon Austenat-Wied. Digitalisierungsbotschafterin des Landes Mecklenburg-Vorpommern. Und du leitest die Landesvertretung der Techniker Krankenkasse hier von Mecklenburg-Vorpommern. Wir haben uns im Vorfeld auf das „Du“ geeinigt. Herzlich willkommen hier im Podcast von „digitales MV”, und die erste Frage Manon: Digitalisierung der Gesundheitsbranche. Eine ganz einfache Frage. Wie sieht es denn eigentlich aus hier?
Manon Austenat-Wied:
Ja, gut sieht es aus. Erst mal vielen Dank für die Einladung. Ich freue mich, hier zu sein und auch zu einem Herzensthema zu sprechen. Es sieht gut aus. Und was bewegt mich dazu, das zu sagen? Wir beide kennen die langen Diskussionen zu Digitalisierung in allen Geschäftsfeldern. Und gerade in der Gesundheitswirtschaft ist es ja sehr kontrovers diskutiert worden, immer auch unter dem Signet der Datensicherheit. Weniger früher unter dem Signet der Patientensicherheit. Und diese Form der Diskussion hat sich komplett verändert. Es ist jetzt nicht mehr das Ob oder das Warum, sondern es zählt jetzt nur noch das Wie. Und darüber bin ich sehr, sehr froh, dass wir diese Änderung hinbekommen haben und diese Aufbruchsstimmung tatsächlich jetzt stattfindet.
Mareike Donath:
In deiner Rolle als Leiterin der Landesvertretung, wir blicken über die verschiedenen Felder. Digitalisierung ist ein Prozess, der alle berührt. Von Krankenhäusern, die Arztpraxen, die Patienten. Fangen wir mal beim Patienten an. Ist der Patient mitgewandert? Ist er schon im digitalen Wandel? Was ist deine Einschätzung? Welche Haltung hat mittlerweile -- du warst Im Übrigen vor fünf Jahren schon mal im Podcast -- Welche Haltung hat ein Patient heute zum Thema digitaler Wandel und digitale Lösungen?
Manon Austenat-Wied:
Die gleiche aufgeschlossene Haltung. Bei den Umfragen, die wir gemacht haben, auch unter unseren Versicherten, ist eine positive Stimmung. Ein „Für” ein „Ja” zur Patientenakte, auch zur elektronischen Patientenakte. Ganz klar als Statement. Und das ist schön, dass du beginnst, nach dem Patienten zu fragen, weil das ist im deutschen Gesundheitswesen nicht immer selbstverständlich, dass es sich nur primär um den Patienten dreht.
Und alles andere sollte prozessual drumherum aufgebaut und organisiert werden. Und mit der Digitalisierung haben wir genau diese Möglichkeiten, den Patienten in den Mittelpunkt zu stellen. Er ist Herr seiner Daten, er ist sein eigener Gesundheitsmanager. Und mit der elektronischen Patientenakte hat er die Möglichkeit, auf der Basis seiner Daten, sofern er der Nutzung nicht widersprochen hat, seine Empfehlungen zu bekommen. Präventionsempfehlungen, Verhaltensprävention, Behandlungsempfehlungen bis hin zu psychologischen, mentalen Gesundheitsempfehlungen. Und das stärkt den Versicherten, den Patienten, den Kunden, wie wir sagen. Also alles, was empowered, was stärkt, was unterstützt, das wird sehr, sehr dankbar aufgenommen.
Mareike Donath:
Manon, dann ist es so ein Stück weit mehr Selbstverantwortung, die ich wahrnehmen kann, auch durch digitale Lösungen? Das finde ich einen spannenden Aspekt. Ist das so?
Manon Austenat-Wied:
Das ist genau das Thema Verantwortung für sich selbst übernehmen und auch Berater für diese Eigenverantwortung an der Seite zu haben. So verstehen wir auch unsere Rolle als Kasse. Wir sind nicht die besseren Ärzte, wir behandeln nicht, aber wir können Empfehlungen geben. Wir kennen die Story, die Gesundheitsgeschichte in der Regel vom Lebensbeginn bis zum Lebensende. Und bei bestimmten chronischen Erkrankungen kann man zu bestimmten Zeitpunkten intervenieren.
Man kann Angebote machen, man kann darauf hinweisen, man kann Vorsorge-Empfehlungen geben. Und entweder medizinische Vorsorge oder davor noch Empfehlungen für verhaltens-präventive Maßnahmen. Und gerade auch im Bereich der mentalen Gesundheit ist das ganz wichtig, weil es den Patienten stärken soll, weil es den Kunden stärken soll, in seinem Alltag.
Mareike Donath:
Find ich ja spannend. Bei dem Stichwort mentale Gesundheit, weil du es jetzt zum zweiten Mal schon angesprochen hast, was gibt es da für Lösungen? Wie muss ich mir das vorstellen?
Manon Austenat-Wied:
Ja, da wurde eine ganze Zeit auch darum gerungen, dass man auch online psychotherapeutische Angebote machen kann. Und diese Möglichkeit besteht jetzt. Das ist auch kontrovers diskutiert worden. Zugleich ist es aber eine sehr individuelle Sache und man ist gleichzeitig in einem geschützten Raum, den man vielleicht in einer Gruppentherapie nicht hat. Und diese Angebote werden gerne angenommen, das sind auch ganz niedrigschwellige.
Es kann dann in der Journey durch das Gesundheitswesen zu Empfehlungen kommen, zu Empfehlungen, auch andere Therapieformen anzunehmen. Aber es ist zumindest erst mal ein erster Zugang und der ist sehr individuell zugeschnitten und das ist der Riesenvorteil bei all dem, was man jetzt mit digitalen Lösungen tatsächlich auf den Weg bringen kann. Es ist auf den Patienten, auf den Kunden, auf den Versicherten und seine jeweilige Lebenssituation abgestimmt. Sehr individuelle Maßnahmen. Das ist neu.
Mareike Donath:
Wir kommen ja gleich ganz in Ruhe noch mal zur elektronischen Patientenakte. Deine Ausführungen führen mich zu der nächsten Frage: Hilft denn Digitalisierung im Gesundheitswesen auch dazu oder hilft es dabei, ja, auch Tabuthemen noch mal anders wahrzunehmen oder das anzugehen, weil es ja oft so gerade was, wovon du berichtet hast, viele sagen: „Oh, ich traue mich nicht, ich weiß gar nicht, ob ich Hilfe bekomme und dann ist es alles so langwierig. Zu wem gehe ich?”
Und wir merken es auch im Gründungsbereich, dass sich da viel tut, gerade um psychologische Onlineberatung, niederschwellige Angebote, und bin erstaunt, wie groß der Markt ist. Oder beziehungsweise ich kann nachvollziehen, dass der Markt groß ist. Man weiß es nur nicht, weil die Zahlen gibt es ja auch nicht wirklich dazu. Hilft Digitalisierung auch dann, Tabuthemen sichtbarer zu machen, auch für mehr Akzeptanz zu sorgen? Frage? Manon Austenat-Wied:
Ja, weil du. Also der Punkt ist ja der ganz grundsätzlich. Wir bewegen uns ja auf dem Boden der gesetzlichen Krankenversicherung, da sind Daten geschützt. Das ist einer der höchsten Sicherheitsstandards. Und wenn wir in diesem Kontext Angebote unterbreiten, ist es eben etwas anderes, als wenn ich ins Internet gehe und bei großen Anbietern mal kurz meine Daten preisgebe.
Mareike Donath:
Ja, klar. Manon Austenat-Wied:
Die Daten, die bei uns jetzt zum Beispiel über das TK Ärztezentrum, die Angaben, die ausgetauscht werden, das sind Ärzte, die tatsächlich praktizieren, die übers Ärztezentrum digital ansprechbar sind. Und da kann ich natürlich Dinge adressieren. Das geht von über alle Krankheitsbereiche, also auch die Frage zum Genitalherpes kann ich dort stellen, beispielsweise. Mareike Donath: Ja ja. Manon Austenat-Wied:
Und das ist in einem vertrauten, in einem geschützten Raum. Es ist nicht in den großen internationalen Datenpool eingespeist, sondern es bleibt in diesem geschützten Raum. Und das muss man immer wieder betonen, weil das macht den Unterschied, diese Sicherheit tatsächlich und deshalb wird das gern in Anspruch genommen. Und gerade dieses Ärztezentrum, die Therapieempfehlungen, die gegeben werden und das wird sicherlich auch noch mehr stattfinden, denn wir haben in Deutschland eine Zugangsproblematik.
Jeder, der hier weiß, er braucht einen Termin beim Facharzt, bei welchem auch immer, bekommt ihn nicht so in dem Zeitfenster, wie er ihn erwartet. Und wir glauben, dass wir mit diesen Angeboten die Zugangsproblematik auch ein Stück weit auflösen können, sodass man eine digitale Ersteinschätzung bekommen kann. Sehr individuell, sehr gewissenhaft, die dann schon mit einem ersten Rat verbunden ist. Und der Rat kann natürlich bedeuten: „Rufen Sie sofort den Notdienst!“ Aber er kann auch bedeuten: „Machen Sie den Wadenwickel und suchen Sie vielleicht später den Arzt auf.“ Oder Sie brauchen ihn gar nicht, weil es ist unproblematisch.
Mareike Donath:
Das verstehe ich aus Sicht einer Patientin. Hast du irgendwas, guckst du ins Internet und dann hörst du von jedem Allgemeinarzt oder von jedem Arzt: „Gucken Sie bloß nicht ins Internet. Da werden ja ganz verrückt gemacht.” Ist das dann anders? Manon Austenat-Wied:
Ja. Weil die Ersteinschätzung wird über Ärzte gegeben und es ist ein strukturierter Dialog. Und über die Akte können perspektivisch auch die Vitalparameter hinterlegt werden, sodass eine fundierte Einschätzung an den Patienten gegeben wird. Und dann kann weitergemacht werden, das heißt digital, vor ambulant, vor stationär. Und da es Ärzte am anderen Ende der Leitung sind oder am gegenüberliegenden Bildschirm, ist es auch eine andere Form der Qualität.
Mareike Donath:
Das ist also eine Art Online-Konsultation, Erstkonsultation so ungefähr. Manon Austenat-Wied:
Genau, ja.
Mareike Donath:
Ach spannend.
Manon Austenat-Wied:
Und es kann auch die Möglichkeiten geben, dass andere qualifizierte Gesundheitsberufe, die dann aber genau geschult sind, bei der Ersteinschätzung unterstützen und dann strukturiert Empfehlungen geben. Was als nächstes zu tun ist.
Mareike Donath:
Das ist doch vergleichbar. Wenn ich zum Notarzt gehe, Notfallambulanz. Ich bin jetzt hier in Schwerin, Helios, da sitzen unterschiedliche Ärzte, die geben eine grobe Einschätzung, eine Tür weiter bitte zur Haupt-Notaufnahme oder das ist nicht so schlimm, weil man kann in Ruhe Montag noch mal zum Hausarzt gehen. Manon Austenat-Wied:
Genau. Und so muss man sich das vorstellen. Und der positive Nebeneffekt ist, dass die Ärzte jetzt hier bei uns zum Beispiel bei Helios, das ist ja die bekannte Notaufnahme in Schwerin, dass die dann die Zeit behalten für die anderen Dinge, die wirklich dringlich sind und die Notaufnahme vielleicht nicht nur deshalb besucht wird, weil es in der Woche schlicht unmöglich ist, mit seinem Kind oder mit seinem eigenen Facharztanliegen einen Termin zu bekommen. Das heißt, prozessual tut sich da was. Es könnte Arztpraxen entlasten, es könnte Notaufnahmen entlasten und es wäre ein strukturierter Prozess. Und trotzdem ist der Zugang gesichert.
Mareike Donath:
Wir haben auf den Patienten und auf die Patientin geschaut. Jetzt zu den Arztpraxen. Auch da sitzen Menschen hinterm Tresen und müssen sich dem digitalen Wandel stellen. Wie sieht es da aus?
Manon Austenat-Wied:
Der Arzt ist unser Ansprechpartner für unsere Probleme. Gleichzeitig ist er Unternehmer. Gleichzeitig hat er seinen eigenen kleinen digitalen oder großen digitalen Kosmos mit Abrechnungsdaten, Patientendaten und allem zu meistern und hat seine eigenen Verträge. Sein Praxissystem hat die Selektivverträge, die von Kassen kommen und das ist schon auch eine umfangreiche Managementaufgabe, die der Arzt da neben dem, was wir eigentlich von ihm erwarten, zu leisten hat. Und Ziel ist natürlich, ihn von all diesen Arbeiten, die nicht originär mit ihm verknüpft sind, zu entlasten, zu schaffen, dass wir diesen Bürokratieaufwand reduzieren, dass möglicherweise Abrechnungsprozesse, Terminplanungsprozesse, dass das transparenter, leichter gestaltet wird.
Und wenn ich so vorsichtig in den Koalitionsvertrag schaue, dann sehe ich auch, dass bestimmte Vorschläge, die wir schon lange gemacht haben, die wir auch bereitgehalten haben, dass Terminservice-Systeme geöffnet werden, sodass Termine gebucht werden können, dass das unterstützend stattfindet. Gleichzeitig glaube ich, haben wir lange auch Ärzte ein bisschen vergessen bei der Digitalisierung mitzunehmen in ihren Niederlassungen. Und der ambulante Bereich ist ein großer, wichtiger Bereich.
Und da noch mehr aufzuklären, zu unterstützen und auch partnerschaftlich an der Seite der Niedergelassenen zu sein, mit all den Herausforderungen, die sie haben. Das versuchen wir hier, in dem wir auch Informationen, Informationsveranstaltungen anbieten oder auch sagen, wenn Fragen zu den KIM-Prozessen kommen.
Mareike Donath:
Das ist was?
Manon Austenat-Wied:
KIM ist Kommunikation im Gesundheitswesen. Das sind bestimmte E-Mail-Adressen. Und da kann im Geschützten, auf der Datenautobahn, auf der geschützten Datenautobahn auch Austausch erfolgen. Dass wir da auch da sind, als Ansprechpartner und auch gerne unterstützen können.
Mareike Donath:
Was ich auch immer noch blöd finde: Man geht in die Arztpraxis und muss dem gesamten Wartezimmer mitteilen, warum man da ist. Alles mal harmlos, mal weniger harmlos. Gibt es da auch eine Verbesserung? Das würde ich mir so wünschen. Ist da was in Aussicht?
Manon Austenat-Wied:
Das kennen wir. Man kommt an den Tresen, das Wartezimmer ist voll. Vorher hat man noch die Spritzschutzscheibe vor der Helferin. Deshalb muss man auch laut und deutlich sprechen.
Mareike Donath:
Ganz genau.
Manon Austenat-Wied:
Und dann kommen die intimen Fragen, die gestellt werden. Man denkt: „Oh, ich möchte gerne im Boden versinken.” So, das wird über die Akte besser, weil ich habe Schnittstellen und ich kann die Schnittstelle für den Arzt freigeben. Und dann sieht er in seiner Praxis sofort, was Sache ist.
Mareike Donath:
Oder ich würde vorher gern zu Hause eingeben. Das ist mein Anliegen. Ich bin jeden Moment da, guckt doch schon mal rein. Was hat denn dieser Patient.
Manon Austenat-Wied:
Und fragt mich bitte nicht laut. Genau, und das gelingt ja in manchen Arztpraxen schon. Also, ich habe eine Hausarztpraxis bei Schwerin, die sind einfach großartig, denn da kann ich online meinen Termin buchen. Wenn ich hochansteckend bin, muss ich da auch nicht hin. Das kann ich anders regeln. Und gleichzeitig kann ich aber in einem kurzen Fließtext schon mal das private Anliegen beschreiben und die wissen das auch.
Das ist auch schön. Also sie schauen auch rein und das hilft auch. Das heißt, diese ganze peinliche Befragung, die ja jetzt mal ganz ehrlich unter dem Aspekt der Datensicherheit wirklichen ein Witz ist.
Mareike Donath:
Total. Stimmt ihre Telefonnummer noch?
Manon Austenat-Wied:
Das ist ihre Adresse, das hatten sie dann und dann. Die Blutwerte, na ja, die waren jetzt nicht so doll. Und das alles entfällt dann. Und man bleibt bei sich und fühlt sich auch selber irgendwie geschützt, weil man jetzt nicht das Innerste nach außen kehren muss.
Mareike Donath:
Ich darf jetzt mit dir zur elektronischen Patientenakte schauen. Das ist ein riesiger Prozess. Und genauso sieht jetzt deine Arbeitsfläche aus mit verschiedenen Dokumenten, damit du uns das schön erklären kannst. Wann ist es eigentlich losgegangen? Wie muss man sich das Ganze überhaupt vorstellen? Und wohin geht die Reise? Wir freuen uns riesig, wenn alle. Da spreche ich für alle Zuschauerinnen und Zuhörerinnen. Wie sieht es aus, Manon?
Manon Austenat-Wied:
Also darüber erzähle ich ganz gerne, weil wir als TK sind 2015-2018 mit all diesen Elementen gestartet. Und wir haben zunächst dieses TK Safe entwickelt und das war eine Anwendung. Mareike Donath:
Was ist das?
Manon Austenat-Wied:
Das war die TK Akte. Tatsächlich, die hatten wir sehr früh mit IBM als Dienstleister und dann nahm es Fahrt auf. Es wurde ja in den späteren Jahren dann von einem Boom Bang gesprochen. Die Akte geht an den Start und dann wurde es ein Tiny Bang, weil die Akte etwas später an den Start ging. Die elektronische Patientenakte für alle. Aber die Geschichte ist toll, weil wir sind damals gestartet und wussten nicht was draus wird.
Mareike Donath:
Vor Corona. Ich versuche jetzt gerade im Kopf. Manon Austenat-Wied:
Vorher, ja lange vorher. Es war ein Modellprojekt der TK. Und für unsere Versicherten war es ein Angebot, schon damals in bestimmte Daten reinschauen zu können, Behandlungsdaten, auch die Medikationspläne und Ähnliches. Und dann gab es auf Bundesebene den Start für die elektronische Patientenakte und wir hatten vorher schon sehr viele Versicherte eingeschlossen. Dann änderten sich Registrierungsverfahren. Dann gab es natürlich, wie es immer bei dem Aufwachsen von Kindern ist, die eine oder andere Kinderkrankheit.
Aber jetzt ist es tatsächlich so, aus dem kleinen Flieger ist ein großer Flieger geworden und der hat abgehoben. So kann man das sagen. Verzeih mir die Bilder. Ich komme nämlich ursprünglich mal aus der Luftfahrt und daher nehme ich das immer mal gerne mit.
Mareike Donath:
Da komm ich genau darauf zurück, wie du da eigentlich hingekommen bist.
Manon Austenat-Wied:
Ich weiß es auch nicht mehr.
Mareike Donath:
Aber jetzt geht es zurück zu deinem Flugzeug.
Manon Austenat-Wied:
Aber tatsächlich ist es so, dass mit der elektronischen Patientenakte jetzt der bundesweite Start erfolgt ist. Wir hatten letztes Jahr zum Tag der Deutschen Einheit hier in Schwerin schon gemeinsam mit dem BMG einen Stand, wo wir über die Akte berichtet haben. Da verzögerte sich das alles noch mal, aber wir haben am 28. April den bundesweiten Rollout für die Akte gehabt und...
Mareike Donath:
Diesen Jahres? Manon Austenat-Wied: Dieses Jahres. Und das ganze EPA Modell ist bundesweit oder das EPA Modul bundesweit bereitgestellt.
Mareike Donath:
EPA? Elektronische Patientenakte? Manon Austenat-Wied: Ja. Wer in der GKV in der gesetzlichen Krankenversicherung arbeitet und die blumigen Gesetzesnamen kennt, der liebt Abkürzungen. Ja, und jetzt ist es so: Die über 2,5 Millionen Nutzer sind bereits registriert. Wir haben über 12 000 tägliche Logins, in die Akte.
Mareike Donath:
Die Zahlen beziehen sich auf MV oder bundesweit? Manon Austenat-Wied: Bundesweit. Und wir haben über 170 Systeme, die damit auch kompatibel sind. Weil, das war lange Zeit auch eine Herausforderung. Die Schnittstellen zur Akte sicherzustellen und auszugestalten.
Mareike Donath:
Das ist doch alles freiwillig noch richtig?
Manon Austenat-Wied: Das ist freiwillig. Das ist immer noch freiwillig. Mareike Donath:
Da ist ja ein Riesenzuspruch. Also ich habe versucht sozusagen jetzt gerade. Ja, toll.
Manon Austenat-Wied:
Also Schlüsselmoment war natürlich die Opt-out-Lösung. Auch sich auf diese Lösung zu einigen, war ein langer Prozess. Das bedeutet, jemand kann widersprechen. Der Patient, der Nutzer, der Kunde kann widersprechen und sagen, er möchte nicht, dass seine Daten in die Akte kommen. Er möchte keine Akte. Dann tut er seinen Willen gegenüber seiner Krankenversicherung kund. Und dann bleibt es dabei. Die, die nicht widersprechen, haben automatisch eine Akte mit den Funktionen, die jetzt schon da sind und die sich weiterentwickeln. Der Medikationsplan ist so etwas. Das ist Patientensicherheit pur. Das Thema Impfen, welche Impfung?
Mareike Donath:
Ich habe neulich das Impfheft meiner Kinder gesucht. Da freue ich mich schon drauf.
Manon Austenat-Wied:
Das kenn ich. Ich habe auch drei Impfausweise in der Umlaufbahn, plus die zwei Impfausweise für meine Katzen. Also irgendeinen suche ich immer. Die Katzen sind nicht in der Akte, aber meine Daten sind in der Akte und das erspart mir viel Sucherei. Und das ist natürlich dann, wenn man auch später an die Notfallversorgung denkt wichtig. Ich habe pflegebedürftige Eltern. Wenn da jemand akut ins Krankenhaus kommt, habe ich entweder zwei Akten unterm Arm oder aber ich habe die wesentlichen Dinge in der Akte. Und da bevorzuge ich eindeutig die Akte.
Mareike Donath:
Ich kenne das von meinen Kindern auch. Ich gucke nicht vorher in den Impfplan, ob die Tetanus-Impfung noch aktuell ist. Das Kind wird geschnappt, ab zum Arzt und spätestens dann: Wie lange gilt der Schutz noch? Ich glaube es ist noch. Ich glaube, ich war da. Ja, genau. Ich halte mich immer dran und irgendwie müsste noch alles. Da kriege ich auch, da freue ich mich auch, eine Info von meiner Praxis, Kinderarztpraxis: „Achtung hier, denk dran.“
Manon Austenat-Wied:
Und diese Empfehlungen kommen auch über die Akte sehr individuell, weil die Daten sind ja da und auch das ganze Thema U-Untersuchungen zum Beispiel. Da kann eben individuell gesagt werden: „Achtung dann und dann bitte auf Impfungen, bitte auf Vorsorge usw. achten.“ Und was auch ein wesentlicher Schritt ist, ist die Vertreter-Regelung. Das ist jetzt gerade, wenn man Angehörige hat, die pflegebedürftig sind, erleichtert das ungemein die Organisation der Pflege und gleichzeitig für Familien mit Kindern ebenso. Man hat den Zugriff und weiß, was als nächstes ansteht.
Mareike Donath:
Nochmals zurückblickend auf deine Zahlen: Ist das jetzt schon viel Zuspruch sozusagen. Wohin müssen wir noch? Kann man das eigentlich sagen? Könnt ihr da eine Bewertung treffen?
Manon Austenat-Wied:
Also wenn ich jetzt auf eine exakte Prozentuale Beteiligung abstellen müsste, würde ich ein bisschen ins Schwimmen kommen. Was ich aber sagen kann-- Mareike Donath:
Warum? Manon Austenat-Wied:
Weil wir jetzt unterschiedliche Zählweisen haben. Also ich kann sagen, so viele IDs sind angelegt, so viele Akten sind in einem bestimmten Zeitraum geöffnet worden. Aber die absolute Auswahl, wie viel Prozent der Bevölkerung sind jetzt drin, die müsste ich im Moment schuldig bleiben, aber nicht für lange.
Mareike Donath:
Alles klar. Also ein Prozess. Es ist ja so, dass immer ein Unterschied ist zwischen Nutzern und IDs.
Manon Austenat-Wied:
Ja. Aber eins ist tatsächlich vollkommen unstrittig, wenn man so rum anfängt: Die Widerspruchslösung ist im Promillebereich. Das heißt.
Mareike Donath:
Spannend, also die, die widersprechen und sagen ich will es nicht. Manon Austenat-Wied:
Das ist ein großes. Ja, ein großes Pro für die Akte. Der Nutzen ist erkannt worden. Ich finde, das ist das zündende Moment. Menschen erkennen: Ich habe davon einen Nutzen. Es erleichtert mir meinen Weg durchs Gesundheitswesen, weil ich eben nicht die Hälfte suchen muss, weil ich nicht nachgraben muss. Wann war die letzte Vorsorge? Es gibt Arztpraxen, die weisen auf die Vorsorgen hin, andere weniger. Das hängt auch mit Arztwechseln zusammen. So habe ich aber meine Daten alle bei mir.
Mareike Donath:
Manon, das hatten wir vorhin gerade, es gibt auch Themen, die sind etwas heikler. Sieht denn jetzt, wie muss man sich das vorstellen, sieht dann jetzt der Zahnarzt meine komplette Genese rund um alles, was ich so habe, rund um meinen Körper? Kann der alles sehen, obwohl ihn ja eigentlich nur die Zähne irgendwas angehen oder wie muss man sich das vorstellen?
Manon Austenat-Wied:
Das war auch eine lange Diskussion. Was gebe ich denn jetzt frei, wenn ich jetzt eine Psychotherapie habe? Muss denn mein Zahnarzt Einblick in diesen psychischen Bereich haben oder reicht die Somatik komplett aus?
Und ich entscheide, was ich freigebe. Punkt. Gleichzeitig sollte ich aber auch immer daran denken, dass in dem Moment, wo ich Medikamente einnehme, können Wechselwirkungen auftauchen und die sind auch für den Zahnarzt interessant. Spätestens dann, wenn irgendeine gefürchtete invasive Behandlung ansteht. Und trotzdem ist es so: Ich kann die Bereiche aus meiner Akte freigeben und dann kann der behandelnde Arzt damit arbeiten.
Mareike Donath:
Es gibt ja trotzdem noch sowas wie eine Schweigepflicht, oder?
Manon Austenat-Wied:
Die steht über allem. Die ärztliche Schweigepflicht, die Datensicherheit orientiert an der Patientensicherheit im Rahmen der gesetzlichen Krankenversicherung. Das ist ein geschlossenes System. Und vielleicht nur so als Beispiel. Wenn ich früher eine Arztpraxis war, der Arzt zwischen mehreren Wartezimmern hin und her ist, dann lagen ja auf seinem Tisch schon die Akten derer, die nach mir dran sind.
Also das ist jetzt ganz anders, weil es ist im Computer, es ist über die Akte freigegeben. Damit ist auch noch mehr Vertraulichkeit gesichert. Und diese Datensicherheit, die früher so hoch über allem stand, ist immer noch da. Im Vordergrund steht jetzt aber der Nutzen, weil das andere ist selbstverständlich. Wir haben eine Datenschutzgrundverordnung und auf deren Basis wird agiert.
Mareike Donath:
Die nächsten großen Schritte für die elektronische Patientenakte. Wie sieht es aus?
Manon Austenat-Wied:
Ja, vielleicht so ganz kurzen Blick auf die Perspektive. Im Oktober 2025 sollen die Praxen ans Aktensystem komplett angeschlossen sein. Dann ist damit auch die regelhafte Nutzung der elektronischen Patientenakte inklusive des Einstellens von Dokumenten möglich. Das sind ja alles Dinge, die iterativ noch wachsen.
Mareike Donath:
Das heißt, irgendwelche Auswertungsbilder von Ultraschalluntersuchungen? Manon Austenat-Wied:
Befunde, genau. Dann die verpflichtende Nutzung durch die Krankenhäuser, die greift etwas später, aber der ambulante Bereich ist dann schon mal dran. Dann gibt es eine Informationskampagne für Nutzende auf Seiten der Versicherten noch mal. Und die eigentlich nur diesen Austausch und eine weiterführende Arbeit zwischen allen Beteiligten ermöglichen soll. Um Verständnis zu schaffen. Und wir haben natürlich den Ausbau der Funktionalitäten.
Wir haben auch die Weiterentwicklung der Kassen-individuellen Patientenakten. Neben der elektronischen Patientenakte gibt es ja auch Angebote, die die Kassen ihren Versicherten zur Verfügung stellen. Spezielle Präventionsangebote, selektiv-vertragliche Angebote. Ich erinnere bei uns an die „mamly”-App. Wenn Kinder kommen, wenn die Frau schwanger ist, dann kann sie über die „mamly”-App alle relevanten Informationen auf dem Weg bis zur Geburt dort bekommen. Austausch, Chatfunktion, alles das ist schon da und das sind dann aber individuelle Angebote bis hin zu Gesundheitsanwendungen. Husteblume hatten wir für Allergiker oder auch die Tinnitusbehandlung. Das sind alles Sachen, die dann auch digital über selektiv vertragliche Angebote der Kassen individuell zur Verfügung gestellt werden.
Mareike Donath:
Da geht es, also dann musst du die elektronische Patientenliste ist eine Art, die Datenplattform. Und ihr habt sozusagen darüber hinaus noch verschiedene Angebote? Manon Austenat-Wied:
Einen Kosmos an Angeboten.
Mareike Donath:
Das ist bei allen Krankenkassen so?
Manon Austenat-Wied:
Es ist ganz unterschiedlich. Alle Krankenkassen haben die EPA und alle Krankenkassen haben auch Angebote für ihre Versicherten. Das geht auch hin bis zu Pflegeangeboten. Es gibt auch weiterführende Apps, also wie bei uns die TK Doc App beispielsweise. Und das ist natürlich immer abgestimmt auf die jeweilige Versichertenpopulation.
Mareike Donath:
Da spreche ich jetzt auch deine Rolle an, als generell für Krankenkassen sprechend, damit wir logischerweise hier keinen Wettbewerb verzerren. Manon Austenat-Wied:
Nein. Also jeder Versicherte sollte mal schauen, welche Angebote die eigene Krankenkasse zur Verfügung hat. Ja, da sind wir in der GKV alle gut unterwegs tatsächlich und haben abgestimmt auf unsere Kunden, auf unsere Versicherten die Angebote, die nachgefragt werden. Und das hängt immer ab von Altersgruppen, von Anforderungen, die der Kunde an uns hat. Und da ist jede Kasse gut unterwegs mit der EPA jetzt und den jeweilig anderen Angeboten.
Mareike Donath:
Auch bei der Vielfältigkeit. Dann können wir quasi das Thema der elektronischen Patientenakte würde ich gerne verlassen. Bei der Vielfalt der Angebote, die ihr macht, wie andere Kassen auch. Was ist dein aktuelles Herzensprojekt bei dir auf dem Tisch?
Manon Austenat-Wied:
Das ist tatsächlich ein Zugangsprojekt, das wir gerade an den Start bringen. Mit Partnern in Vorpommern. Und da geht es tatsächlich darum, über digitale Ersteinschätzungen die Zugänge zum Gesundheitssystem, zur Gesundheitsversorgung zu erleichtern. Gerade in Gebieten, die nicht so dicke mit Versorgung bedacht sind, wo eine geringe Bevölkerungsdichte ist, wo auch aufgrund der Altersstruktur die Mobilität vielleicht eingeschränkt ist. Und das ist das aktuelle Herzensprojekt.
Wir hatten bis vor einiger Zeit das absolute Herzensprojekt, das war die Tele-Dermatologie mit der Uni Greifswald. Das war ein Innovationsfonds-Projekt und daraus sind viele gute Lerneffekte entstanden und tatsächlich auch Anwendungen. Das heißt, diese telemedizinische, asynchrone Einschätzung von Hautläsionen. Mareike Donath: Das heißt? Manon Austenat-Wied:
Das heißt, man konnte kann immer noch ein Foto machen von einer betroffenen Hautstelle und kann über den Hausarzt, der dann im Konzil mit Hautärzten und der Uni tatsächlich eine Einschätzung vornimmt, da den ersten Zugang finden.
Mareike Donath:
Also muss mich verrückt machen oder nicht? Gibt es eine erste Schätzung?
Manon Austenat-Wied:
Genau. Und das ist ein strukturierter Weg. Das war ein Projekt, was hier im Land entstanden ist. Auch die IT Firma Infokom kam hier aus dem Land, aus Neubrandenburg. Und das hatte sogar noch den Effekt, dass daraus auch Fortbildungsaspekte auch für die beteiligten Ärzte entstanden sind, weil Hausärzte mit Dermatologen mit der Uni zusammengearbeitet haben. Und das war ein sehr schönes Netzwerk.
Und das erhoffe ich mir jetzt auch mit unseren Partnern und würde mich auch freuen, wenn andere Kassen dann zu gegebener Zeit beitreten. Wir stielen das jetzt gerade auf, das ist eins. Und wenn ich noch ein anderes nennen darf, dann ist es tatsächlich auch ein Präventionsprojekt. Ein großes in Rostock Evershagen „LeGeR”. Was wir mit der Stadt und weiteren Partnern, mit dem Gesundheitsamt und und und durchführen. Das ist ein generationsübergreifendes Projekt mit Bewegung, Ernährung, mentaler Gesundheit. Und das geht über mehrere Jahre. Das ist richtig gut gewachsen.
Mareike Donath:
Es ist angebunden an ein Haus, oder?
Manon Austenat-Wied:
Ne, das ist wirklich ein Setting-Ansatz, der in einem Stadtteil stattfindet, mit einem Mehrgenerationenhaus im Zentrum einer Gesundheitsmanagerin, die das alles--
Mareike Donath:
Da ich Rostockerin bin, frag ich natürlich nach, wie genau, was genau.
Manon Austenat-Wied:
Ja, und da entsteht jetzt auch im Fischerdorf noch ein Bewegungsparcours und auch so wird das Fischerdorf gleich wieder mit belebt, weil da eben dann Gesundheitsstationen sind.
Mareike Donath:
Ah okay.
Manon Austenat-Wied:
Und das ist für Kita, Schule, auch für Senioren. Und Kernpunkt ist auch dieses Mehrgenerationenhaus. Die machen eine super Arbeit und wir haben eine ganz tolle Managerin, die dort mit Kochkursen, mit Bewegungskursen, mit Vorlesen, mit allem. Also das ist wirklich ein interaktives Projekt, da hoffe ich mir, dass das noch Schule macht.
Mareike Donath:
Manon, du hast es vorhin angesprochen. Du kommst aus der Luftfahrt. Ich muss natürlich nachfragen. Guck kurz zurück. Was waren deine wichtigsten Stationen? Dass uns klar ist: Manon, wie war dein Weg?
Manon Austenat-Wied:
Ich frage mich auch manchmal, wie das jetzt so kommen konnte. Aber ich habe tatsächlich mal in der Luftfahrt begonnen. Ich habe auch eine Ausbildung dort gemacht, bin später zum Studium gegangen.
Mareike Donath:
Was für eine Ausbildung?
Manon Austenat-Wied:
Das war Wirtschaftskaufmann, bei der damals ja noch Interflug mit Abitur. Und ich habe dann auch im Frachtverkauf gearbeitet und hatte so Ladeberechnungen machen müssen für Luftfracht. Spannend, sehr spannend und hat auch Spaß gemacht. Und später dann Ökonomie, zivile Luftfahrt. Das ist so ein Wirtschaftsingenieursstudium und ja, und dann bin ich '89 fertig geworden und dann war die Welt plötzlich neu und wir sind alle aus meiner Studienrichtung bunt verstreut über die Welt tatsächlich.
Jeder hat was anderes gemacht. Ich habe dann zehn Jahre in der Steuerberatung/ Wirtschaftsprüfung gearbeitet, war auch mal Verwaltungsleiterin von einem kleinen Krankenhaus und bin dann in Berlin 2005, das kann ich gar nicht glauben. Ich weiß nicht, wo die letzten 20 Jahre geblieben sind, zur TK gekommen, habe dort Krankenhäuser in Berlin und Brandenburg verhandelt.
Mareike Donath:
Du bist Berlinerin, richtig?
Manon Austenat-Wied:
Ich bin Berlinerin und bin vor zehn Jahren dann allerdings nach Mecklenburg-Vorpommern gezogen mit meinem Mann. Und über die Entscheidung sind wir bis heute glücklich. Und ich durfte dann hier für die TK die Landesvertretung übernehmen und durfte hier im Land mich nützlich machen. Und dafür bin ich sehr dankbar.
Mareike Donath:
Spielt die Gesundheitswirtschaft eine große Rolle? Könnte eine große Rolle spielen? Gerade Digitalisierung im Gesundheitsbereich. Das sind ja wahnsinnige Chancen, sagen wir auch immer den digitalen Wandel zu nutzen. Das sehe ich ganz klar gerade für Lösungen im ländlichen Raum, die sich vervielfältigen könnten durch die Einbindung von lokalen regionalen IT-Unternehmen. Expertise im Gesundheitsbereich. Siehst du da eine Chance?
Manon Austenat-Wied:
Eine Riesenchance. Wir haben zwei Universitäten, wir haben eine Reihe von Hochschulen mit exzellenten Professuren. Wir haben den Zugang zum baltischen Raum. Dafür wird hier im Land sehr viel getan. Die Digitalisierung, die ja wirklich vorangetrieben wird, das merkt man immer erst, wenn man auf bestimmte Anwendungen zurückgreift oder wenn man plötzlich sagt: „Ach Gott, da gibt es eine Firma, von der habe ich noch nie gehört, aber die managt das US Post Office.“ Oder so solche Sachen. Mareike Donath: Absolut.
Manon Austenat-Wied:
Und wenn man das Zwiebelmodell sich mal vor Augen führt, dann haben wir einen tatsächlich gesetzlich finanzierten Nukleus. Der sorgt für viele Arbeitsplätze im Land und der ist erst mal gut ausfinanziert. Und wenn man dann die einzelnen Zwiebelhäutchen erweitert, dann kann man auf Zulieferindustrie, auf Hilfsmittelindustrie, auf IT, also auch auf die ganzen Unterstützungsprozesse schauen und dann auf den Datenschatz, den wir hier haben.
Das, was jetzt passieren wird, auch über die Akte, natürlich, sind veränderte Strukturen und Prozesse. Und wir können anhand der Daten, die verfügbar sind, Forschung betreiben im Land. Wir können Vorhersagen treffen. Die Versicherten haben ja auch die Möglichkeit, ihre Daten aufzubauen in der Akte und zu spenden und auch für Erkenntnisse zu sorgen. Und wir haben zum Beispiel, was kaum einer weiß, ein sehr fortschrittliches Landeskrankenhausgesetz.
In dem gibt es nämlich ein Forschungsparagrafen, der glaube ich letztes Jahr durch den Landtag gegangen ist. Das war eine Initiative von den Universitäten, dass tatsächlich die Patientendaten für Forschungszwecke genutzt werden können. Und das wird auch noch mehr Fahrt aufnehmen. Und das ist der eigentliche Schatz: Know how-Daten und eine funktionierende Gesundheitswirtschaft hier im Land. Und vielleicht noch die Ergänzung auch das Thema Prävention. Was uns jetzt umtreibt, auch über das Kuratorium. Wir haben zwei große Themen.
Mareike Donath:
Was für ein Kuratorium?
Manon Austenat-Wied:
Kuratorium Gesundheitswirtschaft. Und wir sind ja da in Strategiegruppen organisiert und arbeiten am Masterplan Gesundheitswirtschaft und können aus der beruflichen Perspektive jeweils Empfehlungen geben. Die Politik hört uns auch und das ist auch wieder ein Vorteil in Mecklenburg-Vorpommern. Man hört sich zu und man kann gut miteinander sprechen. Und das wird auch aufgenommen. Und für unser Land haben wir in den nächsten Jahren zwei Herausforderungen, wie überall, aber wir besonders stark: Fachkräfte.
Wie halten wir das Thema Fachkräfte und wie kriegen wir auch das Thema Prävention, Verhaltensprävention an die Menschen ran? Und auch da hilft Digitalisierung, da helfen individuelle Empfehlungen. Und, es hilft auch, Präventionsprojekte, die schon da sind, miteinander zu vernetzen, um in den Betrieben für Unterstützung zu sorgen, um vielleicht AU, Arbeitsunfähigkeitszeiten zu reduzieren durch gesunde Umfelder, durch veränderte Kulturen der Zusammenarbeit.
Und das alles ist ein sehr komplexes Unterfangen. Aber diese beiden Themen – Fachkräfte, Prävention zur Unterstützung und Stärkung der Fachkräfte – sind für uns jetzt noch mal ein wichtiges Thema, weil das ist die Ressource, die alles andere natürlich mit voranbringt.
Mareike Donath:
Wunderbar. Das schließt meine Frage. Ich hätte auch noch gefragt wie sieht es eigentlich aus? Wie schätzt du den Bereich Fachkräftesicherung hier ein? Welche Maßnahmen macht ihr oder habt ihr intern eigentlich auch ein Fachkräftethema?
Manon Austenat-Wied:
Haben wir auch, weil es ist wir sind eine bundesweite Kasse mit 12 Millionen Versicherten und 14 000 Beschäftigten. Und auch hier gehen etliche Menschen demnächst in den Ruhestand, in den wohlverdienten. Und dann brauchen wir Nachwuchs wie alle anderen auch.
Mareike Donath:
Wie macht ihr die Nachwuchsförderung?
Manon Austenat-Wied:
Wir haben schon sehr früh als Unternehmen investiert in eine sehr gute Kultur der Zusammenarbeit, in wenig Bürokratie, flache Hierarchien und viel auch in agiles Arbeiten gesteckt. Und das ist eine sehr schöne Arbeitsatmosphäre und gleichzeitig brauchen wir natürlich auch Fachkräfte. Das setzt voraus, dass wir Prozesse straffen und die Ressource dort einsetzen, wo sie wirklich wirksam sein kann. Und das setzt eben auch ein sehr wertschätzenden Umgang mit Mitarbeitenden voraus.
Und das ist etwas, wo wir auch in den Betrieben unterstützen und damit unser Land als Arbeitsstandort auch vielleicht ein bisschen noch attraktiver machen, als es ohnehin schon ist. Zum Leben und zum Arbeiten.
Mareike Donath:
Dann komme ich jetzt schon zur Abschlussfrage. Ich als „Mecklenburg-Vorpommern-Pflanze“ frage dich natürlich: Ist für dich Mecklenburg-Vorpommern ein Zukunftsland?
Manon Austenat-Wied:
Ein lautes Ja. Uneingeschränkt. Es ist für mich das schönste Bundesland überhaupt. Ich bin nun Wassersportler. Deshalb. Was soll ich sagen? Tolle Menschen. Auch diese norddeutsche Distanziertheit. Das hat jemand mal gesagt nach der schrecklichen Coronaphase. „Ach Gott, ein Glück. Jetzt sind die 1,5 Meter Abstand endlich aufgehoben und wir können zurückkehren auf unsere 4 Meter.”
Und diese, diese Herzlichkeit und gleichzeitig diese norddeutsche Klarheit. Ich liebe das total. Und das Land ist unglaublich schön und es hat so viel Potenzial, es ist so wertvoll und daher müssen wir uns dessen bewusst sein, wie wertvoll es ist. Ich sehe das manchmal, wenn ich so durch die Großstädte fahre wie dort vielleicht die Work Life Balance aussieht und wie sie bei uns aussieht. Gesund aufwachsen, glücklich arbeiten, in einer gesunden Umgebung, nachhaltig geprägten Umgebung, das ist etwas ganz Besonderes. Und ich darf gar nicht zu viel schwärmen als Zugereiste, weil sonst kommen noch mehr. Mareike Donath: Klappt es mit den 4 Metern nicht mehr, sagst du. Manon Austenat-Wied:
Aber es ist ein wunderbares, wunderbares Bundesland.
Mareike Donath:
Und im Hinblick auf die wirtschaftliche Entwicklung?
Manon Austenat-Wied:
Ja, danke, dass du mich das fragst, weil ich hatte dann mal so die Statistiken gewälzt, weil ich bin auch so Zahlen, Daten, Fakten getrieben ein wenig. Und ich glaube 2023 führten wir mit unserem Wirtschaftswachstum hier oben die Reihe der Bundesländer an. Ich glaube, wir hatten 4,3 Prozent Wirtschaftswachstum* und waren an erster Stelle. Das finde ich, sagt man zu selten, weil der Mecklenburg-Vorpommeraner ist eher verhalten, zurückhaltend und bescheiden. Das sage ich jetzt nicht überheblich, sondern man muss auch Erfolge einfach mal feiern können.
Mareike Donath:
Ich höre unheimlich viele Innovationstreiber in deinen Worten, zu sagen, was wir brauchen, um das Leben lebenswert hier zu machen, nicht nur auf dem Wasser, sondern auch in den Unternehmen. Lösungen zu haben für den ländlichen Raum. Auch das mit den wertvollen Ressourcen wie den Fachkräften gut umzugehen, an Prävention zu denken. Ich bedanke mich für das komplexe Bild, was du heute gezeichnet hast.
Ich bedanke mich, dass du hier beim Podcast von „digitales MV“ gewesen bist. Herzlichen Dank, Manon.
Manon Austenat-Wied:
Herzlichen Dank, Mareike. Danke für die Einladung.
*Mecklenburg-Vorpommern verzeichnete 2023 ein Wirtschaftswachstum von 3,3 Prozent.