Mareike Donath:
Frau Professorin Charlott Rubach, Digitalisierungsbotschafterin des Landes Mecklenburg-Vorpommern, und ist am Lehrstuhl an der Universität Rostock für empirische Bildungsforschung mit dem Schwerpunkt der Lehrkräfte-Forschung. Herzlich willkommen hier beim Podcast vom „digitalen MV”.

Eine kleine Information für alle Zuhörer:innen und Zuhörer und Zuschauer:innen. Wir haben uns im Vorfeld auf das „Du” geeinigt. Und noch mal ein ganz frisches und herzliches Willkommen hier Charlott. Du bist Juniorprofessorin. Was bedeutet das eigentlich? Und wie wird man eine Juniorprofessorin? 

Charlott Rubach:
Gute Frage. Ich bin Juniorprofessorin. Ich habe also die Verantwortung an der Universität, die empirische Bildungsforschung in der Lehre und Forschung zu repräsentieren. Und Juniorprofessorin bedeutet einfach, dass sich in Deutschland die Karrierewege hin zur Professur ein bisschen  angeglichen oder angepasst haben. Also früher hat man eine „Diss” geschrieben.   Mareike Donath:  Eine „Diss” ist eine Dissertation? 

Charlott Rubach:  
Genau das ist eine Dissertation, eine Doktorarbeit. Da hat man eine „Diss” geschrieben, dann hat man danach habilitiert. Also hat sich noch mal mit einem Schwerpunkt über mehrere Jahre intensiv beschäftigt und dann ist man mit der Habilitation sozusagen in die Professur gegangen oder hat sich auf eine Professur beworben mit der Hoffnung, dass man das kriegt. Heute ist das ein bisschen anders, heute geht man auch aufgrund der Internationalisierung von Forschung und diesen Bologna-Prozessen. 

Mareike Donath:  
Was heißt Bologna-Prozesse? 

Charlott Rubach:  
Genau das sind so neue Bildungsprozesse, wo man sagt, dass man das international angleicht. 
Bildungsprozesse, so dass man zwischen Ländern Bildung wechseln kann oder Abschlüsse in unterschiedlichen Ländern kriegen kann und das auch angerechnet wird. Es ist dazu gekommen, dass man sagt, dass Leute sozusagen in eine Trainings-Professur kommen nach der Doktorarbeit. Also man hat die Doktorarbeit geschrieben, man macht nicht mehr die Habilitation so wie es früher in diesen traditionellen Wissenschaften gegeben war, sondern man sagt jetzt, nach der Dissertation geht man gleich in die Professur rein und trainiert sozusagen für sechs Jahre, Professorin oder Professor zu sein und geht dann in die Vollprofessur nach sechs Jahren und wird dann evaluiert. Und das ist dann sozusagen Habilitations-äquivalent. 

Mareike Donath: 
Worüber hast du deine Dissertation geschrieben? 

Charlott Rubach:  
Ja, über Kooperation zwischen Eltern und Lehrkräften und warum das relevant für Kinder ist. 

Mareike Donath: 
Oha, und was war deine Hypothese? 

Charlott Rubach:  
Meine Hypothese war, dass wenn Eltern und Lehrkräfte das hinkriegen und sozusagen die gegenseitige Expertise aufnehmen und sehen, dann führt das dazu, dass Kinder lieber zur Schule gehen und irgendwie einen Wert in Bildung sehen.

Mareike Donath: 
Könnte ich total unterschreiben. Wie bist du zu diesem Thema gekommen? 

Charlott Rubach:  
Ja, gute Frage. Also ich habe ja in Rostock studiert und bin dann im Laufe meines Studiums nach Berlin gegangen, um da so ein Praktikum zu machen. Forschungspraktikum nannte sich das damals. 

Mareike Donath: 
Und wo hast du das gemacht? 

Charlott Rubach:  
An der TU in Berlin bei Rebecca Lazarides. Und Rebecca und ich, wir hatten gleich irgendwie so einen Vibe. Also wir haben gut miteinander funktioniert und wir haben beide so eine Passion für Forschung und Wissenschaft. Und dann habe ich da mein Praktikum gemacht und dann hat sie gesagt: „Ach Charlott, man schreibt doch die ,Diss' bei mir und komm doch zu uns.”

Und das habe ich dann gemacht. Und dann war ich so ein bisschen auf der Suche. Und ich habe damals in Rostock in meinem Masterstudium in einem Projekt gearbeitet, wo es schon um Kooperation ging. Und ich dachte immer so: Boah, meine Eltern – also nichts gegen meine Eltern jetzt – aber die haben mich immer so gelassen in der Schule. Also die hatten nicht so richtig Bock, immer zu den Elternabenden zu gehen und die haben mich aber auch immer sehr unterstützt, haben gesagt: „Mach mal Charlott, du kriegt das schon hin.”

Aber das ist ja nicht bei allen Kindern so. Also was für einen Wert hat denn jetzt Kooperation zwischen Eltern und Lehrkräften? Wenn meine Eltern eigentlich gesagt haben, die haben da keinen Bock drauf. Und trotzdem hat es aber bei mir funktioniert. Und da dann so die Heterogenität in Kooperation zwischen Eltern und Lehrkräften und dann die Auswirkungen auf Schüler zu untersuchen, das war irgendwie spannend für mich und deswegen habe ich das dann auch gemacht. 

Mareike Donath:
Ist das nicht auch manchmal ein Thema: „Die Schule wird das schon machen? Die Schule wird das schon richten?” Also, ich bin ja auch Mutter zweier Kinder, weiß, dass das zum Teil mal mehr oder weniger der Fall ist. Aber ist es nicht ganz oft so, wo man denkt, da ist doch der richtige Ort? Wo ist da eigentlich mein Anteil oder weiß ich das überhaupt, was mein Anteil ist? Wie kommt man dazu?  Charlott Rubach:  Ja, das ist eine gute Frage. Ich glaube, also ich bin keine Mutter, deswegen, ich bin immer nur so, ich erzähle das so aus der Wissenschaftlerin-Perspektive und da kann man mich jetzt auch gerne dafür schlagen, aber. Also Eltern haben ja Kinder in die Welt gesetzt mit der Verantwortung, hoffentlich da mündige Bürger:innen  in die Welt zu setzen und Kinder zu befähigen, einen Part in der Gesellschaft zu finden. Und da Verantwortung für Bildung an die Schule abzugeben, ist glaube ich sehr naiv. Und Eltern bringen Expertise mit, weil sie wissen, wie ihr Kind zu Hause funktioniert oder nicht funktioniert oder wie jetzt das Kind zu Hause ist und was so die Person des Kindes ausmacht. 

Und so haben Lehrkräfte auch eine Perspektive, aber eine professionell pädagogische auf das Kind und auf Bildungsprozesse. Und ich glaube, es geht nicht darum, dass die voneinander getrennt das Kind unterstützen, sondern gemeinsam. Und genau das zeigt auch Forschung. Und das funktioniert aber gar nicht. Also dieses Gemeinsame – Eltern und Lehrkräfte – das ist total viel verlangt, das wissen wir auch in der Wissenschaft, weil Lehrkräfte ja so viel zu tun haben. Aber wenn das gemeinsam funktioniert und man sich gemeinsam sozusagen abstimmt und versucht, die Kinder da zu unterstützen, wo sie Talente haben oder wo sie sozusagen Unterstützung brauchen, dann funktioniert Kooperation auch. Und dieses Gemeinsame ist aber gerade nicht richtig da. 

Mareike Donath:
Es sind so viele Fragen in meinem Kopf gerade entstanden, Charlott, noch mal zurückzugehen. Es hat so mit mir gesprochen. Ich weiß, wie mein Kind zu Hause tickt, ich weiß aber nicht oder bin sozusagen nicht ganz sicher. Wie lernt er dann oder wie lernt sie denn was? Es gibt ja so viele verschiedene Möglichkeiten, etwas beizubringen und ich glaube, dass ganz oft die Eltern vor Herausforderungen stehen dann das richtige Schulmodell auch auszusuchen, spezifisch für ihr Kind. Und oftmals guckt man ja, was ist in der Nähe wegen den Freunden, weil ich glaube, das ja auch möglicherweise der pädagogische Ansatz so wichtig ist, um einen guten Start in der Schule zu haben.
Guckst du eigentlich auf alle Schulbereiche, auf alle Schulklassenstufen oder hast du da einen bestimmten Bereich? 

Charlott Rubach:  Ich bin so sehr interessiert an Jugend, weil ich Jugend so unendlich spannend finde. 

Mareike Donath:
Jugend geht bei dir von welchem Alter? 

Charlott Rubach:  
Ja, wir fangen mit Sek 1 an. Also ich bin so Sek1-, Sek 2-Forscher.   Mareike Donath:
Das heißt? 

Charlott Rubach: 
Das ist so siebte Klasse, ab siebter Klasse. 

Mareike Donath: 
Charlott. Um noch mal die Lanze für die Wissenschaft zu brechen. Ist ja unheimlich wichtig, auch wissenschaftliche Erkenntnisse zu haben, damit man neue Impulse geben kann und auch das System  überdenken kann, wie es gerade läuft. Deine wichtigsten Erkenntnisse aus deiner damaligen Arbeit?  

Charlott Rubach: 
Ja, also das, was glaube ich wichtig ist, wenn es um Kooperation zwischen Eltern und Lehrkräften geht, wirklich zu gucken, was ist notwendig und was ist nicht. Also wir haben ja sozusagen Lehrkräfte und Schulen haben ja gesetzliche Vorgaben und ich glaube, in der Ausgestaltung kann man ja aber doch sehr kreativ sein und wirklich auf Grundlage der Schüler:innenschaft und  der Elternschaft, die an dieser einen Schule sind, zu gucken, was ist das für uns ergebnisreichste, was man aus Kooperation machen kann. Und dann auch darauf zu achten, dass Kooperation für alle Leute nützlich ist, also dass da für alle ein Mehrwert rauskommt.

Also, warum sollen Lehrkräfte mit Eltern zusammenarbeiten? Was ist der Mehrwert für Lehrkräfte, was ist der Mehrwert für Eltern? Und ich habe ja gesagt, ich konzentriere mich auf Jugend und Adoleszenz. Was ist auch der Mehrwert für die Kinder? Und das ist ja das Entscheidende, weil bei Kooperation stehen die Kinder immer im Vordergrund. Es geht nicht um die Eltern, es geht auch nicht um die Lehrkräfte. Es geht immer darum, dass wir versuchen wollen, die Kinder bestmöglich zu fördern. Und da muss sozusagen da, sind ja Lehrkräfte Expert:innen für und da müssen sie aber Eltern mit reinholen und das geht nicht so, und das sehe ich auch ganz oft bei unseren Studis, die verstehen sich immer so als Bevormunder:in. Also die wollen dann Eltern sagen: „Ihr müsst jetzt aber an die Schule kommen oder ihr müsst jetzt aber...“ Und das ist keine Kooperation, sondern es ist ein gemeinsames Aushandeln von Gestaltungsprozessen und das muss  mit jeder Klasse neu passieren. 

Mareike Donath: 
Das ist auch ein schönes Bild, was es auch erzeugt. So eine gewisse Augenhöhe ist das.

Charlott Rubach: 
Augenhöhe. Das ist ja Kooperation. Also gemeinsame Ziele haben, gemeinsame Prozesse  bestimmen und gucken, wer welche Expertise reinbringt. Und also auch Eltern haben Expertisen. Natürlich haben sie Expertisen, das wissen wir ja auch zum Thema Digitalisierung, was Eltern da für Expertisen mitbringen. 

Mareike Donath: 
Da kommen wir gleich zu einem aktuellen Forschungsbereich. Woran forscht du gerade? 

Charlott Rubach: 
Ja, genau. Also ich habe gerade zwei große Forschungsbereiche. Der erste ist: Wie kriegen wir Lehrkräfte digital kompetent? Großes Thema auch bei uns im Land. Und der zweite Forschungsbereich ist, das hat auch viel mit meinem „Diss”-Thema zu Kooperationen zu tun: Wie schaffen wir das, dass Kinder auch in der Jugend gern zur Schule gehen und einen Mehrwert in ihrer eigenen Bildung sehen? Also nicht nur zur Schule zu gehen, weil sie es müssen, sondern zur Schule zu gehen und zu sagen: „Mir bringt es was.” Also das auch selber zu erkennen, dass Schule für sie was bringt. 

Mareike Donath: 
Ich muss dich sofort fragen: Wie schaffen wir das? Oder wie funktioniert das, dass Kinder gerne zur Schule gehen? Alle Eltern sitzen jetzt gespannt vor den Kameras und haben solche Ohren. Charlott, jetzt. 

Charlott Rubach: 
Ja, also ich würde jetzt mal sagen, dass das aus Schule und so diesem Bildungsort Schule noch sehr viel rauszuholen ist. Wenn man sich mal das Schulsystem anguckt, wie es heute funktioniert und das ist nicht bei allen Schulen so, es gibt viele Schulen, die schon so neue Wege, innovative Wege eingegangen sind und die sind auch nicht alle gut. Aber dieses alte: eine Person steht vorne und Kinder lernen auswendig. Das ist heute einfach nicht mehr notwendig. Das ist, was aus einer Zeit, wo noch einer lesen konnte, eine Person. Das war meistens jemand aus der Kirche. Und das ist kein neues Bildungskonzept mehr. Und Kinder in ihrer oder Jugendliche auch in ihrem Talent und in ihren Fähigkeiten zu sehen, ist, glaube ich das, was Bildung mitbringen muss und Schule mitbringen muss. Also hin zu: Wir fördern die Kinder in ihrer eigenen Entwicklung  und nicht alle Kinder müssen dasselbe lernen. 

Mareike Donath: 
Wie kommen jetzt die wunderbaren Erkenntnisprozesse an die Schule? Wie kommen die Erkenntnisprozesse an die Eltern? 

Charlott Rubach: 
Ja, das ist schwierig. Also wir sind ja also Wissenschaft kriegt es nicht hin, das zu übertragen oder zu übersetzen. Da hadern wir wirklich mit uns selber, weil wir forschen gerne, wir  schreiben gerne wilde Paper und publizieren das international. Das in die Schule zu bringen. 

Mareike Donath: 
Wenn du arbeitsteilig denkst, man muss ja nicht alles selber machen, was wünschst du dir, wie kann ein Transfer funktionieren für dich? 

Charlott Rubach: 
Genau das, was wir gerade oder das, was ich gerade bei mir am Lehrstuhl mache, ist, dass ich versuche, Lehrkräfte, Ausbildung, Schule und Bildungsforschung zusammenzubringen. Also das, was wir einmal im Jahr machen. Das nennt sich Themen-Café. Ich bereite also mit meinen Studierenden zusammen so kleine Fortbildungen zum Thema Digitalisierung vor. Das heißt, die Studierenden können sich mit einem Thema intensiv auseinandersetzen, was für sie auch wieder nützlich und wichtig ist. Und die bringen das dann an interessierte Lehrkräfte. Das heißt: Einmal im Jahr kommen Lehrkräfte zu uns zu diesem Themen-Café und Studierende sind dann in der Expertise der Fortbilder:in und wir geben aktuelle Forschungsbefunde somit indirekt in die Schule. Und das sind so Vermittlungsprozesse. Viele schreiben auch irgendwelche Posts auf Social Media. Das kann auch funktionieren. 

Mareike Donath: 
Gehen denn zukünftige oder angehende Lehrer, sind die bei dir und haben die... 

Charlott Rubach: 
Alle. Alle aus Rostock sind bei mir. Ich habe die Vorlesung für Bildungsforschung mit  meinen beiden Kollegen zusammen. Und alle Lehramtsstudierende müssen durch unsere Vorlesung. 

Mareike Donath: 
Ob Mathe, Kunst, Geschichte. Alle gehen einmal bei dir durch? 

Charlott Rubach: 
Genau, alle gehen einmal bei mir durch. Aber nicht alle gehen durch mein Seminar. Es sind immer nur ein oder zwei Seminare. Wir haben ja super viele total interessante Angebote. Aber die, die dann bei mir sind, die machen das dann. 

Mareike Donath: 
Dann bist du ja quasi an der Quelle. Bei dir wird die neue Generation der Lehrerschaft geschmiedet? Das kann man doch schon so sagen.  Charlott Rubach: 
Ja, das kann man so sagen. 

Mareike Donath: 
Das ist noch ein ganz großer Wirkungsbereich. Das finde ich toll. 

Charlott Rubach: 
Ich auch. Es ist super toll.  Mareike Donath: 
Das macht bestimmt Laune. Was ist daran am tollsten? Spürst du das? Merkst du das? Gibt es Feedback, wenn die in den Schulen sind, was sie erreicht haben? Dass das, was du lehrst auch ankommt?

Charlott Rubach: 
Ja. Na erst mal ist es toll, glaube ich zu sehen, wer so vor einem sitzt und wer später so die Kinder unterrichtet. Und auch, was die selber für eine Passion mitbringen und dann so: „Ah, das ist ja spannend oder cool.” Und auch dieses kritische Hinterfragen. Also wie gesagt, jeder ist in einer Blase. Ich bin auch in meiner Wissenschaftsblase. Und dann diese praktische Kritik oder die praktische Perspektive auf das zu bekommen, was wir da rausgefunden haben. Das ist ja schön. Und damit Studierende so in Gespräche zu gehen und denen zu sagen: „Guck mal so geht das. Ahh, okay.” Und dann so Aha-Momente zu sehen, das finde ich toll.

Und auch, was mir wichtig ist als Professorin, ist, dass meine Studierenden verstehen, dass Lehrkraft zu sein so ein lebenslanger Lernprozess ist und  wer weiß, was in zehn Jahren in unserem Bildungssystem da ist. Also ich meine, wir haben jetzt schon so verrückte KI-Sachen, wer weiß, was da passiert. Und die darauf vorzubereiten, dass die immer neugierig bleiben. 

Mareike Donath: 
Fragst du dich das manchmal, was ist in zehn Jahren und wie kann ich die Studierenden darauf vorbereiten?

Charlott Rubach: 
Nein, dann mache ich mich, glaube ich, verrückt. Da werde ich noch richtig kreativ. Also, dass die offen sind und auch dieses gemeinsame. Also Lehrkraft sein ist nicht Eigenbrötler sein, das muss es nicht sein, sondern man kann das auch gemeinsam wuppen. Und es ist aber total schwierig, weil man selber sein eigenes Ego und seine eigene Emotion irgendwie Angst zu haben oder vor den Kopf gestoßen zu werden oder so, das muss man echt runterschrauben. Aber wenn das klappt und man so Verbündete findet, dann glaube ich, dann kann Lehrersein oder Lehrerinsein, ein wirklich toller Beruf sein, der so als gemeinschaftliche Aufgabe zu verstehen ist. 

Mareike Donath: 
Das war eine kleine Hommage an alle zukünftigen Lehrer:innen, für den Beruf zu werben. Das ist doch eine ganz tolle Sache. Wir bleiben bei dem Lehrer und bei den Lehrer:innen. Bei deinem ersten Schwerpunkt, du hast es schon angesprochen, Digitalisierung, KI. Da kommt eine Menge auch auf die Lehrkräfte drauf zu. Es werden ja eine Menge Erwartungen gestellt. Ja, auch an die Schüler, die dann fertig werden, in die Ausbildungsberufe gehen, zu den Unternehmen. Da warten alle händeringend auf die digitalen Kompetenzen, die die junge Generation mit sich bringt. Und ich komme zu meiner Frage: Erzähle gerne, wie kriegen wir jetzt die Lehrer gut digital aufgestellt? 

Charlott Rubach: 
Ja, das ist eine gute Frage. Also, was man glaube ich erst mal beachten muss bei  „digital aufstellen“, da stehen ja Kompetenz-Modelle hinter. Also, was muss eine Lehrkraft können, um effektiv ihre Verantwortlichkeiten auszuführen? Und bei digitalen Kompetenzen sagen wir, es gibt so zwei Bereiche. Es gibt Grundkompetenzen, die muss jeder Bürger und jede Bürgerin in der EU können. Und dann gibt es berufsbezogene, digitale Kompetenzen. Also jetzt hier jemand, der Technik macht, braucht ja ganz andere digitale Kompetenzen als jemand, der in der Bank arbeitet. Das ist so dieses berufsbezogene.

Das Grundlegende ist, dass wir zum Beispiel verstehen, wie das Internet aufgebaut ist, dass wir wissen, wo wir Informationen suchen und welchen Informationen wir vertrauen können. Dass wir hier gerade miteinander sprechen können und wissen: „Ah, okay, wir sprechen jetzt in Person, aber wenn ich digital mit jemandem kommunizier, dann sind ganz andere Regeln gesetzt.“ Ich kann ja nicht mit meiner Ärztin genauso sprechen, wie ich  jetzt hier mit dir spreche, am Telefon oder dann in einer Videokonferenz. Dazu gehört, digitale Produkte zu produzieren. Also es geht von, man macht eine Abbildung zu, man programmiert selber irgendeine Software.

Wie schützt man sich selber? Wie schützt man seine eigenen Daten? Wie schützt man eigene Gesundheit? Also großes Thema. Gerade wird ja riesig drüber diskutiert. Social Media und psychische Gesundheit, gerade auch bei Kindern und Jugendlichen. Problemlösen, also was passiert, wenn mein Laptop wieder anzeigt „Error”. Der Drucker funktioniert nicht, also dass ich damit umgehen kann. Es ist super vielfältig.  Was sind Geschäftsmodelle im digitalen Raum? Warum wird mir immer was geschenkt und was steckt eigentlich dahinter? Wie funktioniert Uber? Digitale Kompetenz ist so weitreichend.

Mareike Donath: 
An der Stelle muss ich nachfragen, weil du sagst, das sind Grundkompetenzen. Das muss heutzutage jeder kennen und können. Ich glaube, das ist nicht überall vertreten.  Charlott Rubach: 
Und deswegen soll das ja in die Schule. Deswegen müssen wir ja sozusagen jetzt langfristig unsere Lehrkräfte vorbereiten, damit die das den Kindern beibringen, damit die sozusagen dann in die Ausbildungsberufe gehen. Und man merkt ja schon, wenn ich sage, Lehramt-Studierende, Kinder, Ausbildungsberufe, das müssen wir ja langfristig vorbereiten. Also das passiert ja nicht in fünf Jahren, sondern da müssen wir ja sozusagen zukunftsorientiert und langfristig denken, damit das dann in Mecklenburg-Vorpommern oder in anderen Bundesländern wirklich langfristig funktioniert. 

Mareike Donath: 
„Nichts ist so langsam wie heute”, heißt es ja immer beim digitalen Wandel. Du musst heute schon eigentlich alles wissen, damit du aktuelle Produkte einschätzen kannst und händeln kannst. Das ist der langfristige Prozess, dann denke ich, das dauert dann ja wahrscheinlich, bis die digitalen Kompetenzen so weit durchs Land gezogen sind, dass man sagt, jetzt haben sich alle den Grundstock angeeignet. Das wird wahrscheinlich auch gar nicht aufhören. Jeden Tag kommt irgendwas dazu. Ist es eine. Ja. Schlagen wir uns jetzt die Hände auf den Kopf und sagen, wir machen da nicht weiter, oder wie? Muss uns das Angst machen oder sagen wir: „Ach, das schaffen wir schon!”  

Charlott Rubach: 
Nö, das ist learning by doing. Also Lernen ist ja lernen aus Fehlern, zum Lernen gehören Fehler dazu. Lernen ist ein langfristiger Prozess, das geht nicht von heute auf morgen. Und, ich glaube, das geht einfach Schritt für Schritt. Also gerade bei Lehrkräften muss das auch Schritt für Schritt gehen, weil die haben ja noch so viele andere Verantwortlichkeiten. Und Lehrkräften jetzt zu sagen: „Also jetzt müsst ihr euch nur noch auf digitale Kompetenzen konzentrieren.” Das geht nicht, das wäre utopisch. Schritt für Schritt.

Und das Schöne ist ja, und deswegen habe ich auch gesagt: Bildung und Schule ist ja eigentlich ein Kooperationskomplex. Und wenn man zum Beispiel sagt, wenn man jetzt auch mit vielen Schulen spricht, okay, es gibt die fünf Lehrkräfte, die konzentrieren sich jetzt auf Digitalisierung, es gibt die fünf Lehrkräfte, die konzentrieren sich jetzt auf sonderpädagogische Förderbedarfe. Es gibt die fünf Lehrkräfte, die machen BNE. Also, man kann ja die Masse an Leuten, die in einer Schule da sind, da kann man ja  individuelle Expertisen ausbilden. Jeder braucht nicht alles haben.

Mareike Donath: 
Würde das auch Sinn machen, schulübergreifend so zu denken, an einem Ort?  Charlott Rubach: 
Absolut. Ja, absolut. Das ist auch so ein bisschen die Idee von diesem Themen-Café gewesen, von dem ich eben gesprochen habe, dass Lehrkräfte unterschiedlicher Schulen zusammenkommen und auch anfangen, miteinander zu erzählen. Also, dass man zum Beispiel stadtteilspezifische Konzepte hat. Und das braucht man auch, weil jeder Stadtteil, das wissen wir, hat unterschiedliche Bedarfe und unterschiedliche Fähigkeiten. Und da zum Beispiel so stadtteilspezifische Konzepte zu fahren, sollte total funktionieren.

Mareike Donath: 
Du warst ja auch im Ausland. Ich glaube, nach deiner Dissertation?  

Charlott Rubach: 
Genau.

Mareike Donath: 
Hast du da Unterschiede erlebt für den Bereich Digitalisierung und Kompetenzentwicklung oder Vermittlung? 

Charlott Rubach: 
Ja, also ich war in Kalifornien. Und Kalifornien ist ja bekannt für so die, die Städte, wenn es um digitale Innovationen geht. Also ich war jetzt nicht im Silicon Valley, aber ich war in der Nähe von Los Angeles. Und das, was das Spannende ist: Also, wenn man da lebt, dann merkt man schon, das vibed da alles so ein bisschen anders. Und das hat dann auch wieder Auswirkungen auf Digitalisierung und auch auf Offenheit in Bezug auf Zukunft. Was mir hier häufig auffällt — und das mag jetzt meine subjektive Brille sein — ist, dass in Rostock oder in Mecklenburg-Vorpommern immer sehr auf Herausforderungen geachtet wird. Also, man geht was an, ein neues Projekt oder man hat eine Idee und dann wird einem erst mal gesagt: „Nein, das geht nicht. Nein, nein Charlott, wie stellst du dir das vor?” 

Oder, wenn man sich Befunde in der Bildungsforschung anguckt: Man pickt sich immer das Negative heraus. Der und der kann das nicht. Da haben wir, da ist die Lücke. Anstatt zu sehen, was man eigentlich kann und wie man das, was man sowieso schon kann, es ist ja dieses Prinzip von Talentförderung für das, was man sowieso schon kann, noch weiterentwickelt und nicht immer nur auf die Lücken zu gehen und immer wieder zu gucken, dass man das Loch irgendwie zuschaufelt. Man will nicht das Loch zuschaufeln. Eigentlich will man ja den Berg hochklettern. 

Mareike Donath: 
Aber das hast du da anders erlebt? 

Charlott Rubach: 
Ja, das habe ich da anders erlebt. Also, ich habe mit so ein paar Schulen zusammengearbeitet in Kalifornien, auch mit ein paar Lehrkräften, und die sind offener da für Entwicklung. Und das hat aber was mit diesem American Spirit zu tun. Also vom Tellerwäscher zum Millionär. Und die sehen Innovation, die haben auch Bock darauf, weil die denken, dass die das können. Das können die natürlich häufig nicht in diesem System, weil es ja total ungerecht ist. Aber, und das sieht man auch in der Bildungslandschaft, also Schulen und da gibt es auch ganz viele Schulen, die wenig Ressourcen haben und das Bildungssystem da ist super ungerecht, weil das ja segregiert ist und Schulen in schwierigen Umgebungen auch wenig Geld von der Regierung bekommen. Also, das rauszukriegen ist schwierig. Aber wir sehen auch Schulen, die einfach offen sind und es einfach ausprobieren.

Da gibt es natürlich keinen Datenschutz, aber es gibt eine Schule, ich liebe diese Schule. „Samuel Lee Academy“ heißt die. Und da dürfen Kinder zum Beispiel, die arbeiten viel mit Unternehmen zusammen. Mit Vans. Mit den ganzen Tech-Firmen, die da ja auch sitzen,  Google und so und da sitzen Kinder in der Schule und lernen Computerspiele zu programmieren, die einen Bildungsfokus haben oder die dürfen Vans-Schuhe designen. Also alles sehr zukunftsorientiert, was denen was für das berufliche Leben später bringt. Also die dürfen sich selber ausprobieren und sich selber finden und die probieren das einfach. Die sagen nicht: „Och, jetzt gucken wir erst mal, jetzt müssen wir erst mal 30 Anträge ausfüllen und gucken, dass auch noch die Eltern zustimmen.” Sondern das wird einfach ausprobiert und da ist ganz viel Failing drin, wenn man sich auch die Geschichte von den ganzen Tech-Firmen anguckt. Also da gibt es ja mehr Insolvenzfirmen.  Mareike Donath: 
Failing ist so Fehler machen dürfen. 

Charlott Rubach: 
Also da gibt es ja mehr Insolvenzunternehmen als Erfolgsunternehmen, wenn man sich mal die  Geschichte des Silicon Valley anguckt. Aber die haben es ausprobiert und eine Idee hat nicht funktioniert und man geht zur nächsten und man lässt sich nicht stoppen. Und das ist so dieser Spirit, den ich da so schön finde und den ich mir hier manchmal wünschen würde.

Mareike Donath: 
Kriegst du den Spirit so ein bisschen bei deinen Studierenden mit an den Mann gebracht? 

Charlott Rubach: 
Das kriege ich schon hin, weil die auch bei mir ausprobieren dürfen. Also, wie gesagt, lernen, Fehler und die sollen das ausprobieren. Die sollen sich irgendwie selber finden und auch ihr  eigenes Ding finden und da kreativ sein dürfen. Und das ist mir, das versuche ich schon. Genau. 

Mareike Donath: 
Digitale Kompetenzen haben wir verstanden, was wir darunter verstehen und wissen, unseren eigenen Bildungsauftrag, den wir durchzuführen haben, was wir eigentlich alles wissen müssen. Wie genau sieht jetzt deine Ausbildung aus? Wie genau ist das aufgebaut? 

Charlott Rubach: 
Wir haben an der Universität gerade zwei große Forschungsprojekte, in denen wir uns sozusagen mit dieser Frage: „Wie können wir Lehrkräfte digital fit machen oder Lehramtsstudierende digital fit machen?” Wo wir dieser Frage nachgehen. Und das, was wir schon wissen, ist eigentlich auch, dass aus allen Bildungsprozessen, also wir müssen das hinkriegen, dass wir — und das ist die Herausforderung, die wir auch in der Lehrkräfte-Ausbildung haben — unsere Studierenden kommen  total heterogen in die Universitätsausbildung.

Also wenn wir jetzt mal von dieser Heterogenität digitaler Kompetenzen ausgehen. Es gibt Studierende, die können alles total gut. Es gibt Studierende, die sind in einem Kompetenzbereich total gut. Es gibt Studierende, die sind wenig kompetent, die denken, dass sie das können. Die können es aber eigentlich gar nicht. Und die Herausforderung ist jetzt, dass das Studium das alles aufgreift. Und das, was wir jetzt in diesen Forschungsprojekten untersuchen, ist, wie schaffen wir es, individualisiert Kompetenzen zu fördern? Indem wir zum Beispiel digitale Lernplattformen nutzen,  Machine Learning reinsetzen und diese Algorithmen erst mal gucken, was brauchen die überhaupt? 

Mareike Donath: 
Wie muss ich mir das praktisch vorstellen?

Charlott Rubach: 
Genau. Also stell dir vor, du setzt dich vor den Rechner und dann wird dir von mir gesagt:  „Schön, dass du da bist. Jetzt musst du erst mal einen Fragebogen ausfüllen.” Und diesen Fragebogen brauchen wir, weil Kompetenzorientierung sollte immer evidenzbasiert oder datenbasiert sein. Wir können keine Kompetenzen fördern, wenn wir nicht wissen, was wir eigentlich fördern müssen. Das ist wie beim Arzt. Ja, der macht erst mal so einen Grundcheck.  Mareike Donath: 
Der macht eine Diagnose.

Charlott Rubach: 
Genau. Eigentlich ist es eine Art von Diagnose. Ich mache erst mal eine Diagnose und guck, okay, was ist da überhaupt da? Und dann kriegen die individualisierte Profile nennt sich das. Und da wird dann gesagt: „Guck mal, so sieht das gerade bei dir aus, das kannst du, da ist vielleicht noch Entwicklungsbedarf.” Und jetzt guck mal, und jetzt kommt nämlich die Motivation ins Spiel. Weil wir wissen, Leute müssen motiviert sein, sonst lernen sie nicht. Also sie müssen jetzt gucken, okay, was ist jetzt für Sie das Interessanteste?

Also, da gibt es zum Beispiel eine Studentin, die sagt: „Ah, ich bin irgendwie nicht so gut im Produzieren, aber ich brauche das später für meinen Beruf, da will ich mich weiter konzentrieren.” Dann ist die interessiert an dem Bereich und an ihrem Lernprozess. Und sie findet das nützlich für sich selber. So, und jetzt kommt nämlich der Machine Learning Algorithmus ins Spiel, der dann zum Beispiel dann sagt:  „Ah, okay, das ist sozusagen gerade die Diagnostik, da ist die Lücke, das würde sie spannend finden. Jetzt suche ich aus dem Lehrangebot, was wir haben, das für sie am passendste sozusagen raus.” Und das macht sie dann in einem selbstregulierten Bildungsprozess. Also da sitzt sie dann vor dem Rechner und dann macht sie so Mikrofortbildung nennt sich das, die so interaktiv sind und kollaborativ und motivationsfördernd. Und davon macht sie dann sehr, sehr viele. Und da wird dann immer geguckt, was braucht sie als nächstes? Das nennt sich so Recommender Systems.

Und dann gucken wir jetzt gerade in diesem Forschungsprojekt: Ist diese Kette von Diagnostik, Motivationsförderung, in der Wahl des Themas und diese individualisierte Lernumgebung, die wir ihr dann geben, auf Grundlage der Diagnostik führt das dazu, dass die wirklich kompetent werden. 

Mareike Donath: 
Eine Frage an der Stelle Charlott, das ist ja wie so ein Soll-Ist-Vergleich. Du wirst vom Ist zum Soll. Wer definiert den Sollzustand? 

Charlott Rubach: 
Die EU. Die Europäische Kommission hat 2011 glaube ich das erste Mal, oh Gott, oder 2013 den Soll für digitale Kompetenzen definiert, der auch immer wieder aktualisiert wird. Und daran orientieren wir uns. Also, das habe ich mir nicht selbst ausgedacht, sondern das sieht man ja auch. Die EU gibt die Standards vor. Deutschland passt das für sich an. Stichwort Kultusministerkonferenz. Das Papier zur digitalen Bildung. Und dann sind die Länder dann in der Verantwortung, das auch noch mal auf das Land sozusagen runterzubrechen und zu gucken: „Okay, was brauchen wir hier im Land?” Und da sind Wirtschaftsinteressen meistens ein großes Thema. Genau, das sind sozusagen die Solls, an denen wir uns orientieren. 

Mareike Donath: 
Kommen die Lehramtsstudenten zu dir und sagen: „Hey, ich habe das jetzt schon zum Einsatz gebracht im Rahmen meines Praktikums, ich muss ja auch in der Schule sein, hat funktioniert, ich gebe dir ein Feedback. War toppi.”

Charlott Rubach: 
Nein, das, was ich dir gerade erzählt habe, das nennt sich experimentelles Design. Also, da wird wirklich unter gleichen Bedingungen geguckt, ob das funktioniert. Also, die dürfen nicht alleine am Rechner sitzen und das zu Hause machen und dann nebenbei noch YouTube-Videos gucken. Sondern die machen das in einem Labor sozusagen unter unserer Kontrolle und da wird dann geguckt, inwieweit das funktioniert. Und das Projekt ist jetzt, wir machen das jetzt seit einem Jahr. Genau, das wird auch mindestens noch zwei, drei Jahre dauern. 

Mareike Donath: 
Was machst du danach? 

Charlott Rubach: 
Hoffentlich weiter. Das, was wir auch gerade machen, das ist nämlich das andere. Wir gucken, wie wir digitale Kompetenzen bei Kindern in der Schule fördern können. Also, wie können wir jetzt Schulen begleiten, dass die sozusagen so eine Art digitales Curriculum entwickeln? Also, wird es in den Fachunterricht gebracht? Ist es eher sinnvoll, das in Projektwochen zu machen oder im Nachmittagsbereich. Und da sozusagen zu gucken, wie kriegt man Schulen unterstützt, das sozusagen zu entwickeln, aber auch: Wie kriegen wir Kinder jetzt dazu, digital kompetent zu werden?

Mareike Donath: 
Also eigentlich der gleiche Prozess noch mal, aber auf Schule dann übertragen. Wie sieht da der Forschungsaufbau aus? Ähnlich? Fragebogen? 

Charlott Rubach: 
Genau, das gleiche eigentlich so vom Grundprinzip. Also, es ist immer datenbasiert, das ist das Allerwichtigste. Also wir gehen nicht nach Meinungen oder nach allgemeinen Beobachtungen und gucken ah hier die oder der, sondern das muss immer datenbasiert sein und das ist mir auch als Wissenschaftlerin total wichtig, dass ich weg von meiner eigenen Meinung und Beobachtung komme, sondern eher auf objektiven Daten das alles beruhen lasse. 

Mareike Donath: 
Nach der ersten Forschungszeit, deine Empfehlung an die Eltern und an die Lehrkräfte? 

Charlott Rubach: 
In Bezug auf was? 

Mareike Donath: 
In Bezug auf die Vermittlung von digitalen Kompetenzen. 

Charlott Rubach: 
Ich glaube, was wir lernen müssen, oder damit umgehen müssen und das ist auch wieder schwierig, das weiß ich auch. Ich habe viele Diskussionen mit meinen Eltern oder mit meinen Großeltern. Offen dafür zu sein, dass sich schnell Sachen verändern, aber auch nicht immer wieder zu springen. Also nur, weil sich gerade was entwickelt, heißt das nicht, dass wir das jetzt sofort ausprobieren müssen. Dafür gibt es Leute, die machen das und dann kann man gucken. Neugierig zu bleiben, kritisch zu bleiben. Und, das lernt man so aus der Jugendforschung. Kinder und Jugendliche in ihren Expertisen auch sehen. Also Kinder können schon ganz viel und Eltern können auch  ganz viel und Lehrer können auch ganz viel. Die können aber alle unterschiedliche Sachen und die haben auch alle Schwächen und das sozusagen gemeinsam voranzubringen.

Ich mache immer Projekttage an Schulen in Rostock zum Thema Digitale Kompetenz und wir machen dann immer eine Bedarfsanalyse. Und dann fragen wir die Kinder immer: „Was wollt ihr denn, was möchtet ihr? Mit welchen Themen möchtet ihr euch auseinandersetzen und so?” Und die sagen dann immer: „Charlott, das, was uns am wichtigsten ist, ist, dass ihr uns nicht bevormundet. Also, ich will nicht von euch hören, das müsst ihr machen, sondern ich will mit euch darüber sprechen,  was für mich am besten passt.” Und das ist eigentlich die Grundidee von Jugend.  Jugend möchte nicht von uns bevormundet werden und das fällt ihnen ja auch schwer, weil die sollen ja ihre eigene Identität entwickeln, also das ist ja deren Entwicklungsaufgabe, sondern denen zu zeigen: Ich sehe dich genauso oder ich sehe dich auf derselben Augenhöhe wie mich.

Wir haben alle unterschiedliche Kompetenzen und wir bringen das jetzt zusammen, um uns gemeinsam so einem Feld zu nähern. Und da sollte Schule dann auch hin und da sollten auch Eltern hin, gemeinsam mit ihren Kindern kritisch darüber nachzudenken, was funktioniert und was funktioniert nicht.

Mareike Donath: 
Charlott, beim Zuhören finde ich, das macht mir ein ganz wunderbares Gefühl. Da sitzt jemand an der Universität Rostock mit einem tollen Blick auch für: „Wie kann man Zukunft denken?  Wie kann es nur funktionieren mit einem Miteinander?" Du bist gebürtige Rostockerin, hast du mir erzählt. Du bist also mit deinem Herzen in Mecklenburg-Vorpommern, bist auch aktuell hier an der Universität. Mecklenburg-Vorpommern – ein Zukunftsland? 

Charlott Rubach: 
Ja, ich denke, mit diesen ganzen Ebenen, die wir jetzt haben, Botschafter:innen aus unterschiedlichen Ebenen, aus unterschiedlichen Bereichen, die Universität, neue Leute, die an die Universität kommen und auch wirklich mit Praxis kooperieren möchten und andersrum auch.  Praxis, die offen wird, das wird was.

Mareike Donath: 
Besser geht es nicht. Herzlichen Dank, dass du hier gewesen bist.

Charlott Rubach: 
Danke auch. Sehr gerne.