Mareike Donath:
Sylvio Brauns, Digitalisierungsbotschafter des Landes Mecklenburg-Vorpommern, beschäftigt bei der Handwerkskammer in Schwerin. Wir haben uns im Vorfeld auf das „Du” geeinigt. Herzlich willkommen hier im Podcast von „digitales MV”. Sylvio, gleich die erste Frage: Wie fühlt man sich als Digitalisierungsbotschafter?
Sylvio Brauns:
Wie fühlt man sich? Also geehrt, sage ich mal und man wird natürlich gesehen in der Gesellschaft mittlerweile. Ja, und die Bandbreite an Menschen, die ich kennengelernt habe, das ist schon gigantisch.
Mareike Donath:
Und du wirst so angesprochen „Sylvio, du bist ja Digitalisierungsbote. Was machst du eigentlich in deiner Rolle?”
Sylvio Brauns:
Ja, genau. Manchmal mit einem kleinen Augenzwinkern von den Kollegen usw. Aber es ist schon toll.
Mareike Donath:
Digitalisierung im Handwerk. Kommen wir auf deine Berufung zu sprechen. Man denkt ja oder man könnte auf die Idee kommen, inzwischen ein tradierter Bereich. Ist das überhaupt schon so digital? Letzte Woche waren wir bei euch, durften uns das Weiterbildungszentrum der Handwerkskammer anschauen. Ich war beeindruckt, was da eigentlich schon alles los ist. Aber erzähl gerne du. Wie weit ist das Handwerk für den Bereich Digitalisierung?
Sylvio Brauns:
Also aus dem Blickpunkt der Bildung spreche ich ja hauptsächlich. Das Handwerk draußen, das beobachten wir natürlich auch. Wir arbeiten eng mit den Ausbildungsbetrieben natürlich zusammen. Und wir versuchen, uns immer an den ganz modernen Betrieben zu orientieren. Wie wird dort gearbeitet? Was sind dort die Trends usw.? Und das ist auch so unser Augenmerk, was wir in die Ausbildung mit einfließen lassen wollen. Und deshalb sieht das da auch so aus, wie es aussieht.
Mareike Donath:
Ich habe es gesehen, die Zuhörer:innen und die Zuschauer:innen noch nicht. Erzähl, was machst du da eigentlich ganz genau?
Sylvio Brauns:
Seit fünf Jahren bin ich eigentlich in der Digitalisierung so richtig unterwegs. Das hat damals ja Corona mit sich gebracht. Vorher waren wir noch ziemlich mit Papier und Zettel unterwegs und dann ging das so langsam los. Wir hatten uns eine Lernplattform angeschafft in der Handwerkskammer und die war aber noch nicht so richtig mit Leben gefüllt. Und dann gab es die Zeit, sich damit auseinanderzusetzen und ich habe da großes Gefallen daran gefunden und habe gemerkt, das bringt wahnsinnig viele Vorteile. Also für die tägliche Arbeit, für meine persönliche Arbeit, aber letztendlich auch für die Ausbildung selber. Also man bringt Struktur rein in sein eigenes Leben, in seine eigene Ausbildung und vor allem aber auch in die Ausbildung für die Auszubildenden und Meisterschüler, die wir bei uns im Hause begrüßen dürfen.
Mareike Donath:
Wer kommt da alles zu dir? Sämtliche Ausbildungsberufe im Handwerksbereich? Wer läuft durch deine Tür?
Sylvio Brauns:
Also ich bin gelernter Maler- und Lackierermeister. Seit 2005 darf ich mich so nennen und ich bilde zwei Berufsfelder aus, also zwei Ausbildungsberufe. Das sind zum einen die Maler und Lackierer und zum anderen die Fahrzeug-Lackierer. Und wir machen bei uns im Bildungszentrum quasi die überbetriebliche Ausbildung. Das heißt, überbetriebliche Ausbildung, man sagt so in der Mundart: „Wir sind die verlängerte Werkbank von den Betrieben sozusagen. Und wir bieten das, was die Betriebe selber nicht leisten können.“
Und aus ausstattungstechnischen Gründen oder weil es manchmal auch alte, traditionelle Sachen sind, die wir machen. Also, wir machen nicht nur modern, wir machen wirklich auch die ganz alten, traditionellen Handwerkstechniken. Und das beides verbinden wir miteinander. Und das können manchmal Betriebe nicht so richtig leisten. Und deshalb sind wir da. Und es ist auch gut, dass es uns gibt.
Mareike Donath:
Wir sind auf sich aufmerksam geworden im Rahmen der letzten NØRD in 2024 in Rostock. Da warst du mit deinem sogenannten CraftLab auf dem digitalen Marktplatz. Erkläre, was hat es damit auf sich?
Sylvio Brauns:
Erst mal: Es ist nicht mein CraftLab, das ist das CraftLab der Handwerkskammer und da arbeiten mehrere Leute dran. Und wir sind so ein kleines Team, die dort direkt im CraftLab quasi involviert sind. Zum einen haben wir da Olaf Blesting, einen schönen Dank von hier auch noch mal an ihn. Also der hat das Ganze ins Leben gerufen. Der ist so in unserem Team derjenige, der den Kontakt zu den Betrieben hat, also der Innovationstreiber sozusagen. Und dann gibt es noch Daniel Zabel, das ist mein direkter Kollege. Mit dem setze ich die ganze Digitalisierung um. Das, was wir uns ausdenken und er ist ein totaler Computerfreak. Sagen wir es mal so ganz nett gesagt. Und ja, und ich komme aus der Ausbildung. Ich bin der Handwerker aus unserem dreier Team. Und ja und ich denke mir viele Dinge aus, die ich manchmal auch nicht selber umsetzen kann. Und das machen wir dann zusammen im Team.
Mareike Donath:
Innovationstreiber trifft Handwerker und IT-Experten. So kann man dein Team so beschreiben, hört sich das genauso an. Sylvio Brauns:
Ja. Genau. Genau.
Mareike Donath:
Dennoch, es muss ja irgendwo, wie kommt man auf die Idee? Wie kommt man auf die Idee?
Sylvio Brauns:
Also so computer-affin war ich schon immer gewesen und ich habe gemerkt, dass ich junge Leute, wenn ich dort einfach Dinge einfach anders gestalte, moderner gestalte, sie einfach vielleicht auch ein bisschen lebensnah gestalte, dass ich sie einfach abgeholt bekomme an einem bestimmten Punkt, wo sie sonst eher gelangweilt waren. Und mit der Digitalisierung klappt das hervorragend. Also ja, es war früher auch öfter mal so, dass ich Schüler hatte, die vielleicht auch nicht so den richtigen Sinn gesehen haben in einer überbetrieblichen Ausbildung, weil sie das Interesse nicht unbedingt an einem ganz bestimmten Thema hatten. Also unsere Kurse sind immer themenbezogen und der eine mag vielleicht eher das Lackieren, der andere mag vielleicht eher so die Gestaltung im Innenbereich. Und dann gibt es natürlich auch Leute, die vielleicht gewisse Themen gar nicht mögen und die kriegt man auch in der Verbindung mit der Digitalisierung viel besser für diese ganze Thematik abgeholt oder auch das Interesse geweckt.
Und in so einer Ausbildung sieht es nicht nur so aus, dass man rein das fachliche umsetzen muss in der praktischen Arbeit. Wir haben ganz, ganz viel auch Theorie in unserem Ansatz. Das heißt, die Schüler müssen ja auch recherchieren, sie müssen dokumentieren und so weiter und so fort. Und das läuft mittlerweile alles nebenbei, digital und manchmal wie von Zauberhand. Also die Schüler arbeiten fast von allein, kann man sagen. Man muss sie eher anleiten, als wie man das früher gemacht hat. Man hat vorgezeigt, dann haben sie es nachgemacht und dann haben die eigentlich immer eher versucht, einen zu kopieren. Heute arbeiten sie viel selbstständiger, eigenständiger. Um es auf den Punkt zu bringen: Das ist das selbstgesteuerte Lernen, sozusagen.
Mareike Donath:
Was für theoretische Kenntnisse müssen die Auszubildenden wissen? Über welche müssen sie verfügen? Was müssen sie sich aneignen, was sind das für Themen?
Sylvio Brauns:
Nehmen wir mal einen Kurs heraus. Da geht es dann um die Historie, da geht es um Denkmalschutz, da geht es um Gestaltung eines historischen Treppenhauses. Das heißt, die Schüler müssen recherchieren. „Was hat man damals für Techniken eingesetzt, welche Materialien wurden damals eingesetzt, welche Farbtöne wurden eingesetzt?” Und das müssen sie selbstständig recherchieren, selber zusammenstellen, natürlich immer unter Anleitung oder Hilfe. Also ich bin stets und ständig quasi als Ansprechpartner verfügbar, aber ich sage mal das Fragen, das Nachfragen, das hat sich extrem gelegt, weil die Informationen sind ja alle da. Also wenn ich mir mein Handy in die Hand nehme, kann ich mir in Sekundenschnelle genau diese Information ziehen und das bringe ich den Schülern dort bei. Und das mache ich vom ersten Tag an. Also mir ist es wichtig, dass die Schüler eigenständig werden und eine Selbstständigkeit mitbringen. Und das soll ja auch der Mehrwert sein für die Ausbildungsbetriebe, die uns die Schüler bringen.
Mareike Donath:
Absolut. Zum CraftLab schauend: Was macht ihr da konkret?
Sylvio Brauns:
Also das CraftLab ist ja eigentlich noch mal so die Kirsche obendrauf, auf der Torte. Ja, und dort machen wir halt Sachen, die wir in unseren normalen Schulungsbereichen nicht machen können. Dort haben wir gebündelt Technologie, modernste Software, Hardware angeschafft, die wir dann berufsübergreifend einsetzen können. Also, da schauen wir immer drauf, dass wir beispielsweise eine Technologie anschaffen, die zwar teuer ist, aber die man mit mehreren Gewerken nutzen kann bei uns.
Mareike Donath:
Kannst du ein Beispiel nennen? Was heißt konkret: Welche Hardware, welche Software, dass man es sich gut vorstellen kann?
Sylvio Brauns:
Also ein super Beispiel ist eigentlich das, was wir hier gerade sehen, also Tontechnik, Bildtechnik auch sowas haben wir. Wir haben eine richtig, richtig gute Ausstattung für so was. Wir können auch wenn wir wollten unseren eigenen Podcast machen. Das ist tatsächlich auch angedacht, aber so weit sind wir leider noch nicht. Aber was ich dort mit meinen Schülern mache, das ist ein Kundengespräch zum Beispiel üben. Und wie verhalte ich mich dem Kunden gegenüber? Wie trete ich auf, wie ist meine Körperhaltung usw.? Und das mache ich mittlerweile schon mit den Lehrlingen. Also man muss es sich so vorstellen, so ein Auftrag, so ein Kundenauftrag, der beläuft sich immer wirklich vom Einlesen eines Kurses am Montag früh bis hin am Freitag, wo sie mir dann quasi ihren Kundenauftrag, den fertiggestellten mir als Kunden übergeben. Und da müssen sie...
Mareike Donath:
Kundenauftrag? Erklär mal kurz. Wie muss man sich das vorstellen? „Hier ist eine Wand zu malern, in Gutshaus XY.”
Sylvio Brauns:
Ganz genau. Also es geht beispielsweise darum: Ein Kundenauftrag ist beschrieben, ein Treppenhaus soll gestaltet werden, wenn wir schon bei dem Thema sind. Und das müssen sie dann beispielsweise an einer Wand darstellen. Da geht es um Zeichnung, um Vergrößerung, um Maßstäbe, um den Goldenen Schnitt. Und so weiter und so fort. Also alles, was dazugehört. Und dann haben sie einen eigenen Farb-Gestaltungsauftrag. Den machen sie auch bei mir digital. Da habe ich was vorbereitet, können sie sämtliche Farben umsetzen. Das sind dann nachher 23, 24 Farbtöne, die dort zusammenspielen. Das ist schon sehr, sehr schwierig für so einen Gestaltungsauftrag. Da hat manchmal der ein oder andere Architekt sogar seine Problemchen. So, und das Ganze setzen sie dann in alten traditionellen Techniken um. Also wir bereiten es digital vor und wir führen es dann rein traditionell mit alten Handwerkstechniken aus. Und das Ganze wird, ich sage mal begleitend komplett dokumentiert. Das heißt, jeder Schüler begleitet jeden Arbeitsschritt am PC. Dafür gibt es Vorlagen usw., wo er einschreibt: „Was war das für ein Material, was habe ich verwendet, welche Werkzeuge usw.?”
Und das Schöne ist: Diese Dokumentation, die bleibt erhalten. Das heißt, wenn der Schüler fertig ist, dann lädt er das in seine Lernplattform hoch und wir haben einen nachhaltigen Nachweis von dem, was wir gemacht haben. Ich bin auch ein großer Fan davon, dass die Schüler in die Betriebe dann auch gehen und zeigen, was sie gemacht haben bei uns. Also wir wollen uns auch den Betrieben öffnen mit unserer Art von Arbeit.
Mareike Donath:
Spüren das die Betriebe, dass sich da was tut?
Sylvio Brauns:
Ja. Aber deutlich, ja. Gestern Abend habe ich gerade Gespräche gehabt. Wir hatten gestern 125-Jahr-Feier Handwerkskammer Schwerin, war total großartig. Mareike Donath:
Herzlichen Glückwunsch.
Sylvio Brauns:
Dankeschön. Und da waren auch einige Innungsobermeister und so und die sind große Fans von uns. Also was wir da so machen, ja.
Mareike Donath:
Toll. Der Landesinnungsobermeister gibt ein Feedback, dass alles wunderbar bei euch läuft. Wie sieht das konkret aus? Woran hat er das gemerkt?
Sylvio Brauns:
Also das hat er daran gemerkt, dass seine Schüler natürlich auch motiviert zurückkommen aus der Ausbildung. Die schwärmen von der Ausbildung. Wir haben auch sehr stabile Ausbildungszahlen, das muss man auch sagen. Das hat er mir gestern Abend auch noch mal wertschätzend gegenübergebracht. Und er hat auch einen sehr, sehr guten Draht zum „Bundesverband Farbe”. Also das ist quasi der Verband, der über allen Bundesländern quasi steht in Deutschland. Und das hat so eine Strahlkraft mittlerweile, dass die auch auf unsere Arbeit aufmerksam geworden sind und ihren Bildungsausschuss mittlerweile hergeschickt haben usw. Und es geht immer weiter. Der Bildungsausschuss beispielsweise hat auch wieder einen Ausschussvorsitzenden, der sitzt in Hamburg und ist der Vize von einer der ältesten Maler-Innungen Deutschlands. 650 Jahre sind die mittlerweile. Und die haben uns jetzt schon das dritte Mal besucht in Schwerin und sind begeistert von dem und wollen das quasi auch in die Ausbildung mit einfließen lassen, in die überbetriebliche. Aber nicht nur für Hamburg, sondern für ganz Deutschland.
Mareike Donath:
Sylvio, im Vorgespräch hatte ich verstanden, das CraftLab ist tatsächlich einzigartig in Deutschland. Richtig?
Sylvio Brauns:
Na, nicht ganz. Also sagen wir es mal so, es war das erste Zentrum, was gebaut wurde, der erste Innovationsraum. Das Einzigartige ist eigentlich, dass wir diesen Innovationsraum bei uns mit im Bildungszentrum mit integriert haben. Das heißt, wir haben Räumlichkeiten freigemacht, um diesen tollen Raum quasi zu integrieren. Man nennt das Sekundärraumprinzip. Das heißt, wir sind ganz, ganz dicht dran mit unserer Ausbildung. Und jeder Ausbilder, jeder Fachbereich kann diesen Raum nutzen. Also, wenn er jetzt meint: „Okay, ich gehe jetzt mal mit meinen Schülern rein, mitten in der Woche oder mit meinen Meisterschülern, dann können wir das nutzen.”
Und wir haben zwei Bereiche in diesem Raum, das ist auch mal ganz wichtig. Also wir haben einen Schulungsbereich und einen Laborbereich und in dem Schulungsbereich haben wir wahnsinnig viel tolle Technik, wir haben ein Konferenzsystem für Hybridveranstaltungen, was wir häufig nutzen. Wir haben Software, ganz tolle Software für die Tischler, für die Metallbauer etc. Das Ganze ist komplett vernetzt, das heißt, wir haben netzwerkgesteuerte Computersysteme. Ich nutze das beispielsweise gerne, dass ich neben der Klasse stehe und meine Bücher auch auf digitalisierter Basis aufmache und meine Bücher selber auf die Rechner der einzelnen Schüler quasi spiegele. Und das läuft dann so ein bisschen wie in so einer Vorlesung, sage ich mal. Also, jetzt bin ich ein bisschen abgeschweift von der Überbetrieblichen, jetzt bin ich gerade so bei der Meisterausbildung. Also das ist ja so ein anderes, zweites großes Standbein, was wir haben und wo ich mich bewege.
Mareike Donath:
Bevor wir gleich darauf noch mal zu sprechen kommen, kurz Softwareanschaffung für Tischler und Co. Was genau ist das für eine Software? Was kann man da mit machen? Was lernen die Schüler bei euch zum Beispiel im Tischlereibereich?
Sylvio Brauns:
Also im Tischlerbereich zum Beispiel diese ganze CNC-Technik zu beherrschen. Also da sind wirklich tolle Kollegen, die da auch wirklich treibend vorangehen und auch in den letzten Jahren Kurse geschaffen haben, die es vorher auch gar nicht so gegeben hat. Das heißt, mittlerweile gibt es dort direkte für Ausbildungsbetriebe nutzbare CNC-Kurse. Also richtig gut, das wird immer weiter ausgebaut momentan.
Mareike Donath:
Vielleicht noch mal für den Zuhörer oder die Zuhörerin. „CNC”, wofür steht das?
Sylvio Brauns:
Stellen wir uns das so vor, ich bin kein Tischler, aber ich baue mir quasi ein Möbelstück oder einen Schrank oder ein passendes Objekt, was ich als Einbauschrank oder eine Küche, was ich beim Kunden einsetzen will. Das baue ich mir am Computer zusammen mit einem entsprechenden Programm und das läuft natürlich alles auf 3D-Basis und ich kann diese Daten dann an der CNC nutzen und die schneidet mir dann genau diese Teile, so wie ich sie brauche, wie ich sie programmiert habe.
Mareike Donath:
Wellig, eckig, alles. Sylvio Brauns:
Verbindungen. Alles komplett. Und das lernen die bei uns im Hause.
Mareike Donath:
Ich glaube, wir haben einen schönen Überblick bekommen, was Auszubildende bei euch lernen. Zwei Fragen habe ich noch: A.) Gibt es dann einen Bruch von der Ausbildung, wenn sie in den Unternehmen ankommen, dort starten? Was an technischen Know-how, Software-Know-how dann schon vorhanden ist und sagen: „Oh, ich habe hier so ein tolles Computerprogramm kennengelernt, eine tolle Software, die habt ihr nicht. Warum?“ Gibt es das, dass es eine Art Mismatch gibt?
Sylvio Brauns:
Total. Also es gibt von bis. Also manche Lehrlinge sagen: „Okay, das haben wir schon vor 20 Jahren in der Firma gehabt und wie auch immer ihr irgendwelche Techniken, die wir dort haben.” Aber es gibt ja viele kleine Handwerksbetriebe – und das ist ja auch eher die Masse – und die haben beispielsweise...
Viele arbeiten ja noch ganz traditionell und können quasi so diese modernen Techniken gar nicht mit ihren Schülern umsetzen. Und ja. Die sind auch sehr, sehr froh, dass es die Handwerkskammer und unser Bildungs-Technologiezentrum gibt mit so einer tollen Ausstattung, dass man im Prinzip die Ausbildung auch in diese Richtung ergänzen kann.
Mareike Donath:
Wunderbar. Vorher-Nachher-Vergleich. Der Anteil der Digitalisierung oder der digitalen Möglichkeiten und Lösungen im Ausbildungsbereich, sagen wir mal vor Corona im Vergleich zum heutigen Stand. Wenn du das in Prozenten ausdrücken müsstest. Wie hoch war der Anteil vor Corona und digitalen Lösungen und wie hoch ist er jetzt?
Sylvio Brauns:
Ganz genau kann ich natürlich aus meinem Bereich am besten sprechen und da würde ich so fifty fifty sagen. Ja, das soll aber nicht heißen, das soll jetzt kein falsches Bild vermitteln.
Mareike Donath:
Fifty fifty heißt?
Sylvio Brauns:
50% Digitalisierung und 50% quasi von der Praxis. Mareike Donath:
Und vor Corona?
Sylvio Brauns:
Da war es ähnlich, aber da war es eher Papierkram. Das, was wir jetzt digitalisieren. Was ich dazu sagen muss: Durch die Digitalisierung, das ist meine ganz persönliche Erfahrung. Es ist ja nicht so, dass wir von Praxis, wir sind ja praxislastig, das ist ja unser Bildungsauftrag, denen Praxis beizubringen, den Schülern. Wir digitalisieren aber nichts tot. Das heißt, wir schaffen eigentlich noch mehr Freiräume für die Praxis selber, um praktischer und nachhaltiger ausbilden zu können und eigentlich noch mit einem viel größeren Mehrwert. Das heißt, wenn wir zum Beispiel digital eine praktische Tätigkeit erst mal lernen und die Grundlagen erst mal schaffen, hat das für die praktische Auswertung oder für die praktische Erlernung eines, ja.
Nehmen wir mal das Lackieren. Das ist bei uns ein ganz großes Thema, hat das einen viel größeren Mehrwert. Praktisch sah das früher so aus. Jeder Schüler hat einen kurzen Moment gehabt, das einmal auszuprobieren, im Original. Jetzt führen wir sie quasi erst mal digital ran, um die Basics zu schaffen und haben einen viel größeren Mehrwert, weil sie jetzt schon wissen: „Worauf muss ich achten? Was sind die Basics, die Geschwindigkeit, der Abstand?” Wie muss ich eine Lackierpistole halten usw. und so fort? Das ist schon toll.
Mareike Donath:
Quasi die vertikalen Möglichkeiten, das noch in der Tiefe besser zu verstehen. Da hilft, die digitale Anwendung bzw. auch ein bisschen Hintergrund Prozesse, Papierkram usw. anders zu gestalten. Das schafft eine Erleichterung, das kann man über die Podcastfolgen auch so wahrnehmen, in anderen Bereichen auch. Das nehmen wir auch wahr, man hat viel mehr Zeit für die eigentliche Arbeit. Und Digitalisierung nimmt oder digitale Möglichkeiten oder Anwendungen schaffen es, lästige Papierarbeiten tatsächlich zu minimieren.
Toll, jetzt kommen wir kurz zur Meisterausbildung. Das macht ihr ja auch. Auch das ist etwas, was du im CraftLab mit umsetzen kannst. Beschreibe gerne kurz konkreter, was ihr da genau macht.
Sylvio Brauns:
Also Meisterausbildung und Lehrlingsausbildung, das sind zwei unterschiedliche Paar Schuhe, muss man so sagen. Also bei der Meisterausbildung geht es ja eher darum, wie auch Hochschulen arbeiten, etc. um Unterlagen für die Schüler bereitzustellen, um sich auszutauschen usw. und so fort. Also, da haben wir einen ganz anderen Ansatz. Da geht es mehr so um das klassische Digitalisieren von, ja Übungsaufgaben, von Prüfungsaufgaben, von Dateien, die wir früher alles per Zettel dargestellt haben usw. und so fort. Oder Stundenpläne verteilen über die Plattform. Also der gesamte Kurs läuft im Prinzip über diese Plattform ab mittlerweile. Hat auch einen tollen Hintergrund.
Also unsere Arbeit als Dozenten wird auch heutzutage viel, viel besser gesehen von den Schülern. Das muss man auch mal so sagen. Ein guter Dozent macht auch viel in seiner Freizeit und das ist dann auf der Lernplattform quasi nachzuverfolgen. Also, wenn ich dann abends am Sonntagabend, jetzt fällt mir noch mal ein, ja, ich muss noch eine Datei hochladen, dann steht das drin. Ja, Sylvio Brauns hat um 22:30 Uhr das hochgeladen usw. und so fort. Dadurch sehen sie auch, dass wir eigentlich einen Fulltimejob haben als Ausbilder und das macht auch was mit dem Verhältnis vom Schüler zum Dozenten. Das muss man auch so sagen.
Mareike Donath:
Trotzdem gilt es ein bisschen die Work-Life-Balance möglicherweise auch gut im Blick zu behalten. Das muss ich jetzt an der Stelle kurz noch mit einflechten. Sylvio Brauns:
Ja natürlich.
Mareike Donath:
Das ist ja auch sozusagen eure eigene Motivation. Es ist auch wunderbar und toll. Darf ich fragen, in welchem Altersbereich befinden sich diejenigen, die zur Meisterausbildung gehen? Die haben ja noch ganz viel Engagement. Ich glaube, man bezahlt ja auch für die Meisterausbildung, Sylvio Brauns:
Ja.
Mareike Donath:
Das heißt, man sieht eine Zukunft für sich in dem Unternehmen oder es geht um Nachfolgegeschichten. Man braucht ja irgendwie die Zukunft im Blick. Wohin geht die Reise? Und mit diesen Erwartungen gehe ich auch in die Meisterausbildung. Erstens: Welche Altersklassen sind bei dir in der Meisterausbildung? Und zweitens: Wie sehen die das Thema Digitalisierung? Kommen wir zur ersten Frage: Welche Altersrange gibt es bei dir in der Meisterausbildung?
Sylvio Brauns:
Also das geht wirklich los von ganz jung, gerade die Lehre bestanden usw. und so fort. Was manche Kollegen auch ein bisschen skeptisch sehen. Ich auch bei dem einen oder anderen. Es gibt natürlich immer Ausnahmetalente, die das auch ich sage mal gleich nach der Lehre quasi wuppen. Und weil man halt im Lerntraining drin ist und das geht dann bis hoch. Unser ältester Meisterschüler ist gerade über 40, also das ist von bis tatsächlich.
Mareike Donath:
Wenn wir bei diesem Beispiel bleiben. Das Thema digitaler Wandel, wie präsent ist das bei den Meisterschülern?
Sylvio Brauns:
Das ist auch noch ausbaufähig, muss ich ganz ehrlich so sagen. Also in den Betrieben ja, ist das auch von bis quasi auch schon am Laufen. Also, es gibt Betriebe, die sind voll digitalisiert, also von denen können wir lernen, das machen wir auch. Wir hören auch ganz genau zu. Und dann gibt es halt so diese Einzelkämpfer-Geschichten. Und die sind natürlich manchmal noch dankbarer für digitale Tools, die ihnen den Arbeitsalltag verfeinern oder auch verbessern und sie sich mehr auf ihre Arbeit konzentrieren können, als jemand, der jetzt in Anstellung ist bei einem großen Betrieb beispielsweise. Vielleicht auch diese Weitsicht noch nicht hat, aber die bekommt er dann so nach und nach auch in der Meisterausbildung selber.
Mareike Donath:
Dieses Verständnis für Betriebsabläufe und für auch Abläufe, um sie viel schlanker und schneller zu machen, sozusagen Dokumentation und dergleichen. So habe ich dich auch am Anfang verstanden, dass auch die Handwerkskammer die Rolle eines Innovationstreibers mit erfüllt und Innovationstreiberin ist für das ein oder andere Unternehmen. Das kann man so sagen?
Sylvio Brauns:
Ja, absolut.
Mareike Donath:
Sylvio, ich habe verstanden ihr seid eine sehr engagierte Truppe rund um das CraftLab und im Weiterbildungsbereich. Das macht ihr ja sicherlich nicht im luftleeren Raum, sondern ihr habt eine starke Rückendeckung von eurer Geschäftsleitung. Wie sieht das aus?
Sylvio Brauns:
Absolut. Also alles lebt und stirbt ja natürlich immer mit der Unterstützung, logischerweise. Und ja, wir haben eine Geschäftsleitung, muss man so sagen, die da sehr modern denkt und moderner, als es vielleicht andere Handwerkskammern machen und das Ganze fördern und unterstützen und auch ganz klare Ziele haben für die Zukunft.
Mareike Donath:
Das nehmen wir auch immer wieder wahr, es ist ein absoluter Erfolgsfaktor. Man braucht die Rückendeckung von oben, von den Vorgesetzten, von den Geschäftsführern. So kann es sich richtig gut entwickeln. Sylvio, eine persönliche Frage noch an dich: Deine drei wichtigsten Meilensteine, wie bist du da hingekommen?
Sylvio Brauns:
Ja, meinen Meistertitel würde ich mal so als erstes nehmen. Der Meistertitel war ja 2005 im April. Das war so ein absoluter Meilenstein in meinem Leben und danach hat sich wirklich sehr, sehr viel verändert. Ich habe dann viele Jahre als mitarbeitender Meister, dann bis später nachher auch als Betriebsleiter gearbeitet. Und dann kam der nächste Meilenstein, als ich dann die Seiten gewechselt habe zur Handwerkskammer. Das ist so ungefähr 13 Jahre her und das hat mich auch in meiner ganzen Arbeitsweise total verändert, oder das hat mir, das hat auch mein Leben selbst verändert, eher auf der anderen Seite zu stehen und jetzt plötzlich junge Menschen ausbilden zu dürfen usw. Was aber eigentlich auch schon immer mein Faible war: Ich bin seit 1991 in der Ausbildung. Früher in der betrieblichen und jetzt voll und ganz in der Handwerkskammer, auch in der überbetrieblichen. Ja, und der nächste Meilenstein, ich möchte auch mal sagen, Meilenstein war ja auch die Ernennung gewesen. Das muss ich einfach mal so sagen. Das war der letzte große Meilenstein und ja, das. Da bin ich sehr stolz drauf. Mareike Donath:
Das freut uns. Das freut uns. Dein Wirkungsbereich war immer Mecklenburg-Vorpommern, richtig?
Sylvio Brauns:
Absolut. Also, ich bin hier geboren und bin auch nie weggezogen. Habe es eigentlich auch nicht vor. Ich bin absoluter Schwerin-Fan und, ja.
Mareike Donath:
Da möchte ich auch dir die gleiche Abschlussfrage stellen, wie allen anderen Gäst:innen auch: Mecklenburg-Vorpommern – ist es für dich ein Zukunftsland?
Sylvio Brauns:
Absolut. Und es gibt hier so viele tolle Menschen, die auch wirklich was bewegen wollen und die etwas bewegen. Und durch die Digitalisierungsbotschafter-Ernennung habe ich schon so viele Leute kennengelernt, die gleiche Ziele haben, die in die gleiche Richtung denken und die auch an einer Kooperation vor allem interessiert sind. Ob das jetzt aus Hochschulen sind, aus der Uni. Und so weiter und so fort. Also ich glaube, da kommt noch was richtig Gutes auf uns zu.
Mareike Donath:
Stark! Das freut uns total und damit herzlichen Dank, Sylvio, dass du hier beim Podcast von „digitales MV” dabei gewesen bist.
Sylvio Brauns:
Vielen Dank!